Schorlemmer: Kirchen müssen gesellschaftskritischer werden

Schorlemmer: Kirchen müssen gesellschaftskritischer werden
Der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer hat die Kirchen in Deutschland aufgerufen, soziale Missstände und politische Skandale deutlicher zu kritisieren.

"Die Zeit der öffentlichen kirchlichen Meinungsäußerungen scheint vorbei zu sein", sagte Schorlemmer am Montagabend in Hannover. Der Publizist und frühere DDR-Bürgerrechtler sprach bei einer Diskussion der Hanns-Lilje-Stiftung zur Frage "Wie streitbar muss Kirche sein?"

"Käßmanns Kritik war richtig"

Zwar gebe es zahlreiche kirchliche Stellungnahmen zu Themen wie Frieden, Globalisierung oder Nachhaltigkeit, sagte der evangelische Theologe. Diese würden jedoch öffentlich kaum wahrgenommen, weil sie von unpersönlichen Gremien stammten. "Namhafte kirchliche Repräsentanten müssen wieder stärker unbequeme Wahrheiten aussprechen", forderte Schorlemmer. Die letzte, die sich dabei hervorgetan habe, sei die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann gewesen: "Ihre Kritik am deutschen Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr war absolut richtig."

Schorlemmer selbst kritisierte etwa das Fehlen eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland. Alle Menschen müssten von ihrem Arbeitslohn leben können: "Das hat nichts mit Parteien zu tun, sondern mit Menschenwürde." Zudem wandte sich der Theologe gegen Fremdenfeindlichkeit, einseitige Profit-Orientierung und den Rückbau des Sozialstaates. Auch den Erwerb von Drohnen durch die Bundeswehr hinterfragte er: "Was soll mit ihnen in Europa überhaupt beobachtet werden?"

Garnisonkirche "Symbol für Militarismus"

Gleichzeitig warnte Schorlemmer jedoch davor, als Christ nun alles und jeden zu kritisieren. Es müsse ein glaubwürdiger Mittelweg gefunden werden: "Kirche und Gläubige müssen sich ihrer Sache gewiss sein, dürfen aber nicht dogmatisch werden." Letztlich biete auch die Bibel nicht die Lösung für alle Konflikte in der Welt. Der Theologe richtete auch einen kritischen Blick auf "militaristische" Prestigeobjekte in Deutschland. So sei er gegen den Wiederaufbau der früheren Potsdamer Garnisonkirche. Dort solle für 100 Millionen Euro ein "Symbol für preußischen Militarismus und Krieg" wieder errichtet werden.