Auf den Böcken ruht bestes Eichenholz, mehr als 25 Jahre abgelagert. Eine Freude für den begeisterten Hobbytischler Hermann Kage. Schon seit zwei Monaten leimt, schleift und lackiert der Mann aus dem niedersächsischen Worpswede bei Bremen das Material, maßgesägt nach seiner eigenen Körpergröße. Nun ist er fast fertig, der Sarg, den er für sich selbst gezimmert hat. Der ehemalige Krankenpfleger gehört zu den wenigen Menschen, die sich schon zu Lebzeiten ganz praktisch mit dem eigenen Tod auseinandersetzen.
Was Nachbarn und Gäste gelegentlich mit einem Stirnrunzeln quittieren, hat für den 65-Jährigen überhaupt nichts Makabres. Früher, sagt er, habe jeder Bauer lange vor dem Tod den eigenen Sarg anfertigen lassen und zwischenzeitlich als Lager für Saatgetreide oder Äpfel genutzt.
Hundertfach dem Tod begegnet
"Wir müssen frühzeitig daran denken, dass unser Leben endlich ist", meint Kage und genießt die fast meditative Ruhe in seiner Tischlerwerkstatt, um auf das Sargholz mit gleichmäßigen Strichen seidenmatten Klarlack aufzutragen. Dabei denkt der überzeugte Christ und ehrenamtliche Trauerbegleiter gerne nach, vor allem über das Leben.
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Denn den Tod mit einzubeziehen, bedeutet für ihn in erster Linie bewusster zu leben. "Ich will meine Zeit sinnvoll verbringen", philosophiert er beim Lackieren und lässt seine Erfahrungen als langjähriger Pfleger auf einer Intensivstation einfließen. Dort ist ihm hundertfach der Tod begegnet. Ein Herzinfarkt, den er selbst einigermaßen gut überstanden hat, bestärkte ihn nur darin, rechtzeitig die Dinge zu regeln, Streitereien zu vermeiden.
"Mancher Mensch kann nicht loslassen, er kann nicht sterben, weil noch etwas unerledigt ist", hat Kage erfahren. Das soll ihm nicht passieren. Er genießt dankbar seinen weitläufigen Hof, die Gemeinschaft mit seiner Frau, seinen eigenen zwei Kindern und seinen drei vietnamesischen Pflegekindern. Und wenn jemand in seine Werkstatt kommt und ihn an seinem Sarg arbeiten sieht, "geht es im Gespräch schnell um die elementaren Dinge des Lebens", freut sich Kage.
Menschen beizeiten um Vergebung bitten
Sein Beispiel erinnert den Bremer Theologen und Trauerexperten Klaus Dirschauer an die alte "Ars moriendi". Gemeint ist die "Kunst des Sterbens", die den Tod im Leben, den Friedhof als Ort der Trauer nicht ausklammert. Wie Kage arbeitet der 76-jährige evangelische Ruhestandspastor daran, rechtzeitig "sein Haus zu bestellen". Inklusive selbst gestalteter Todesanzeige, Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht.
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Dazu zählen bei ihm auch "biografische Gespräche", die er seit Jahren immer mal wieder mit seinen Kindern führt. "Nicht, dass am Ende einer sagen muss: Ach, wäre doch schön gewesen, wir hätten noch mal drüber gesprochen", meint Dirschauer. Zum "inneren Abschied" gehört es für ihn überdies, Menschen beizeiten um Vergebung zu bitten, von denen er meint, er habe sie verletzt - und sich Gott zuzuwenden.
Das tut auch Kage. Er ist davon überzeugt, dass der Tod nicht das Ende ist, sondern nur eine Tür, hinter der noch etwas kommt. Aber jetzt lebt er, in vollen Zügen, etwa, wenn er demnächst wieder nach Vietnam reist. Und wenn der Sarg nun bald fertig ist, wird er ihn in seiner Werkstatt in einem Regal verstauen, gut sichtbar für alle Besucher, als Anstoß für weitere Gedanken und Gespräche. "Wenn ich ihn dann weggestellt habe", sagt Kage, "hoffe ich, dass ich ihn ganz lange nicht brauche".