"Wir wollten aufs Meer" - ein DDR-Drama

Foto: dpa/Gordon Muehle/WildBunch
Ab Donnerstag läuft "Wir wollten aufs Meer" mit August Diehl (links) und Alexander Fehling in den deutschen Kinos.
"Wir wollten aufs Meer" - ein DDR-Drama
Republikflucht oder Bespitzelung - Regisseur Toke Constantin Hebbeln erzählt das Drama von zwei Hafenarbeitern in der DDR, die sich entscheiden müssen. Einer landet im Gefängnis, der andere geht zur Stasi.
13.09.2012
Martin Schwickert

Zur See zu fahren ist ihr größter Wunsch, aber Fernweh ist eine Sehnsucht, die man sich in der DDR des Jahres 1982 nicht leisten kann. Dennoch ziehen Cornelis (Alexander Fehling) und Andreas (August Diehl) gen Rostock – den einzigen Hochseehafen des Arbeiter- und Bauernstaates. Sie hoffen bei der Handelsmarine anheuern zu können, müssen sich aber erst einmal als Hafenarbeiter bewähren. Aber auch nach Jahren Schufterei am Kai verwehren die Parteikader ihnen den Zugang zur großen, weiten Welt. Die beiden sind nicht verheiratet, haben keine Familie und sind damit für die Staatssicherheit in höchstem Maße republikfluchtverdächtig.

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Aber dann machen die grauen Herren ein Angebot: Die Landmatrosen sollen den Vorarbeiter Matze (Ronald Zehrfeld) aushorchen und damit ihre Loyalität zum Sozialismus bekunden. Als Belohnung wird die Aufnahme in die Handelsmarine in Aussicht gestellt. Die beiden lassen sich darauf ein, aber Cornelis packen Gewissensbisse und er zerstört das belastende Tonband. Andreas verpfeift seinen Vorarbeiter trotzdem und hat nach einem Streit mit Cornelis einen Arbeitsunfall, der ihn für den Rest seines Lebens an den Rollstuhl fesselt. Cornelis hingegen unternimmt mit seiner vietnamesischen Freundin Phuong Mai (Thao Vu) an der tschechischen Grenze einen Fluchtversuch, wird erwischt und landet im Gefängnis, während Andreas als offizieller Mitarbeiter bei der Stasi unter Vertrag genommen wird. Als dieser seinen Freund im Gefängnis besucht, gibt er vor ihm als Mittelsmann zu Phuong Mai, der die Flucht in den Westen gelungen ist, helfen zu wollen und versucht mit den Informationen bei der Stasi Karriere zu machen.

Im Zentrum der Konflikt um Freundschaft und Verrat

Dass man aus der DDR-Geschichte publikumswirksame Dramen entwickeln kann, das hat Florian Henkel von Donnersmarck in "Das Leben der Anderen" bewiesen. Mit "Wir wollten aufs Meer" tritt Toke Constantin Hebbeln unübersehbar in die Fußstapfen des deutschen Oscargewinners. Anders als Christian Petzolds "Barbara", der das Thema Republikflucht und Bespitzelung in leisen Tönen analytisch gestaltete, setzt Hebbeln auf großes, emotionales Kino, in dessen Zentrum der Konflikt um Freundschaft und Verrat steht. Alexander Fehling ("Goethe!") spielt überzeugend den Draufgänger, der seine moralische Integrität gegen das repressive System verteidigt und dafür im Bau landet.

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August Diehls Spitzelfigur bewahrt sich immer ein wenig Undurchsichtigkeit und ist als tragischer Charakter angelegt. Nach einer plotintensiven ersten Hälfte schaltet der Film mit der Inhaftierung Cornelis ein paar Gänge herunter und entwickelt sich zum genau gezeichneten Gefängniskammerspiel. Hier wird das perfide Knastsystem der DDR, mit dem die Republik ihre politischen Gegner traktierte, ungeschönt abgebildet. Dabei spart Hebbeln auch dort nicht an dramatischer Emotionalisierung, wo weniger manchmal doch ein bisschen mehr gewesen wäre. Trotz seiner starken Stimmungsschwankungen und gewagten Wendemanövern im Handlungsgeschehen gelingt es Hebbeln die Spannung über zwei Kinostunden aufrecht zu erhalten und DDR-Geschichte aus einer kompromisslos dramatischen Perspektive lebendig werden zu lassen.