Kirchliches Arbeitsrecht beschäftigt Bundesverfassungsgericht

Kirchliches Arbeitsrecht beschäftigt Bundesverfassungsgericht
Der Konflikt um das kirchliche Arbeitsrecht landet vor dem Bundesverfassungsgericht. Wie am Wochenende bekanntwurde, hat die Gewerkschaft ver.di Verfassungsbeschwerde gegen zwei jetzt schriftlich veröffentlichte Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt vom November vergangenen Jahres eingelegt. (AZ: 1 AZR 179/11 und 1 AZR 611/11). Das Bundesarbeitsgericht hatte den kirchlichen Sonderweg im Arbeitsrecht bestätigt.

"Weil das BAG beim Arbeitskampfrecht als eine Art Ersatzgesetzgeber fungiert, halten wir es für zwingend notwendig, die vom BAG vorgenommene Einschränkung des Streikrechts für mehr als 1,2 Millionen Beschäftigte verfassungsrechtlich überprüfen zu lassen", sagte ver.di-Chef Frank Bsirske. Das BAG habe das kirchliche Selbstordnungsrecht in unzulässiger Weise über das Grundrecht auf Streik gestellt. Hintergrund des Rechtsstreits ist die Forderung von ver.di und der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, auch in kirchlichen Einrichtungen wie Diakonie und Caritas streiken und zu Tarifverhandlungen aufrufen zu dürfen. Dies sei durch die im Grundgesetz festgelegte sogenannte Koalitionsfreiheit gewährleistet.

Kirchen pochen auf Selbstbestimmungsrecht

Die Kirchen pochen dagegen auf ihr ebenfalls im Grundgesetz verankertes kirchliches Selbstbestimmungsrecht. Danach können sie die kirchlichen Arbeitsverhältnisse selbst - auf dem sogenannten "Dritten Weg" - regeln. Kirchliche Einrichtungen und ihre Beschäftigten bilden danach eine Dienstgemeinschaft im christlichen Auftrag. Arbeitskampfmaßnahmen wie Streiks und Aussperrung sind dabei ausgeschlossen.

Doch dies ist nach den Entscheidungen des BAG nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. So müssen die Vereinbarungen über kirchliche Löhne und Arbeitsbedingungen verbindlich sein. Es müsse ferner eine Schiedskommission mit einem unabhängigen Vorsitzenden geben. Schließlich müssen auch die Gewerkschaften angemessen beteiligt werden, so das BAG.

Gewerkschaft von Bauchschmerzen geplagt

Gerade beim letzten Punkt hat ver.di Bauchschmerzen. Das BAG habe zur Beteiligung der Gewerkschaften am Dritten Weg keine konkrete, sondern nur eine vage und unbestimmte Vorgabe gemacht. Wie die Beteiligung aussehen soll, dürften nur die Kirchen festlegen. Damit bestehe eine Rechtsunsicherheit, die alleine die Gewerkschaft trifft. Werde dann doch gestreikt, müsse jedes Mal ein Gericht beurteilen, ob die Gewerkschaft angemessen an der Aushandlung von kirchlichen Arbeitsverhältnissen beteiligt wurde und der Streik damit unzulässig war. Faktisch führe dies zu einer Ausschaltung des gewerkschaftlichen Streikrechts, so ver.di.

Außerdem werde der Dienst am Nächsten durch Streiks sowieso nicht berührt. Es gehe nur um die Regelung von Arbeits- und Entgeltbedingungen. Im Klinik- oder Pflegebereich könnten während eines Streiks problemlos Notdienste eingerichtet werden. Dies alles habe das BAG nicht angemessen berücksichtigt. Ob die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist rechtlich aber umstritten. Denn ver.di hatte vor dem BAG formal gewonnen, da die Gewerkschaft bei der Aushandlung kirchlicher Arbeitsverhältnisse nicht angemessen beteiligt wurde. Nach Auffassung von ver.di kann aber auch eine Urteilsbegründung auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin überprüft werden.