Katholiken diskutieren ihr Verhältnis zu Pfingstkirchen

Foto: epd-bild/Jens Schulze
Enthusiastische Glaubenspraktiken und mehr Gemeinschaftlichkeit finden Gläubige in Pfingstkirchen und anderen neuen christlichen Bewegungen, stellte eine Konferenz der Deutschen Bischofskonferenz fest.
Katholiken diskutieren ihr Verhältnis zu Pfingstkirchen
Pfingstkirchen, evangelikale und charismatische Bewegungen sind "eine vierte Grundform christlichen Glaubenslebens". Zu dem Schluss kommt eine Fachkonferenz der katholische Deutsche Bischofskonferenz. Die katholische Kirche suchte auf der Konferenz nach Wegen, mit der Popularität dieser Bewegungen umzugehen.

Religionswissenschaftler und Bischöfe haben in Rom für eine differenzierte Betrachtung neuer religiösen Bewegungen wie Pfingstkirchen und charismatische Gemeinschaften geworben. Der Präsident des Päpstlichen Einheitsrats, Kardinal Kurt Koch, bezeichnete diese als "große Herausforderung". Pfingstkirchen, evangelikale und charismatische Bewegungen stellten mit 400 Millionen Mitgliedern mittlerweile neben der katholischen, orthodoxen und evangelischen Konfession eine vierte Grundform christlichen Glaubenslebens dar, sagte Koch am Donnerstag zum Abschluss einer Fachkonferenz, die von der katholischen Deutschen Bischofskonferenz organisiert wurde.

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Koch rief die katholische Kirche mit Blick auf die Abwerbung von Gläubigen durch die neuen Bewegungen zur Selbstkritik auf. "Die katholische Kirche muss sich die Frage stellen: Was machen wir falsch, warum verlassen die Gläubigen uns?". Der Präsident des Einheitsrats sprach angesichts des wachsenden Zulaufs für die evangelikale Gemeinschaften und Pfingstkirchen von einer "Pentekostalisierung des Christentums".

Aufgrund der Vielfalt der neuen religiösen Bewegungen könne es keine einheitlichen Antworten darauf geben. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick machte pastorale Mängel für den Wechsel ursprünglich katholischer Gläubiger zu den Bewegungen aus. Im Hinblick auf die Abwerbungspraxis forderte er: "Wir müssen kritische Fragen an die pfingstkirchlichen und evangelikalen Bewegungen stellen."

Glaubenskultur in den Großkirchen: "bürokratisch und nüchtern"

Wie sich aus einem Forschungsprojekt der Bischofskonferenz ergibt, ist ein Teil der Bewegungen zum Dialog bereit sei. Andere Gruppen verstünden sich als Fundamentalopposition zu den traditionellen Kirchen, hieß es. Ihre Theologie stehe nach katholischer Auffassung im Widerspruch zum Evangelium. Die Studien der wissenschaftlichen Arbeitsgruppe der Bischofskonferenz und die Beiträge aus unterschiedlichen Ländern zeigten, dass die Glaubenskultur in den Großkirchen als rationalistisch, nüchtern, formalistisch und bürokratisch erfahren werde und damit viele Menschen zu den neuen Bewegungen treibe. Dort finden sie nach den Erkenntnissen der Wissenschaftler enthusiastische Glaubenspraktiken und mehr Gemeinschaftlichkeit, die allerdings häufig autoritäre Züge trage.

Koch warnte davor, das Anwachsen neuer Formen christlichen Lebens allein als Bedrohung für die traditionellen Kirchen wahrzunehmen. Darin werde bei aller Problematik von einzelnen Erscheinungen "ein großer Hunger und Durst nach geistlichen Erfahrungen" sichtbar. Die neuen religiösen Strukturen müssten die historischen christlichen Konfessionen anregen, die "Verkirchlichung des Glaubens und des christlichen Lebens" in Frage stellen zu lassen, empfahl Koch.

Die Pfingstkirchen charakterisiere eine unmittelbare Nähe der Gläubigen untereinander und der Gemeinschaft zu den Menschen. Priestermangel sei jedoch nur einer der Gründe für die Leichtigkeit, mit der Pfingstkirchen Mitglieder der etablierten Kirchen erfolgreich ansprechen und sie für sich gewinnen.

Kirchen der Reformation im Vorteil

Der Religionssoziologe José Casanova verwies auf die große Zahl von Frauen, die sich in Lateinamerika den neuen Bewegungen anschließen. Da Frauen in allen Kulturen eine herausragende Rolle in der Weitergabe des Glaubens haben, drohe hier für die katholische Kirche ein gefährlicher Traditionsabriss. Der Religionssoziologe Philip Jenkins sagte, dass das Wachstum des Christentums in der südlichen Hemisphäre nicht auf Pfingstler beschränkt ist, sondern auch Lutheraner, Methodisten und Baptisten betreffe. "Eine steigende Flut lässt alle Boote steigen", sagte der US-amerikanische Forscher.

Der evangelische Theologe Christoph Raedel von der Kasseler CVJM-Hochschule folgerte, "dass die Kirche dort lebt, wo der Glaube gelebt wird, nicht wo Gebäude stehen und Menschen für das, was sie tun, bezahlt werden". Entgegen dem Bedeutungsverlust der Kirchen in Mitteleuropa sei das Christentum global betrachtet nicht im Rückgang begriffen, sondern in eine neue Phase eingetreten.

Die aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen sind Raedel zufolge wegen der stärkeren Beteiligung der Laien in der Auseinandersetzung mit Evangelikalen und Pfingstlern im Vorteil vor der unter Priestermangel leidenden katholischen Kirche.