Zulassung türkischer Medien zum NSU-Prozess gefordert

Zulassung türkischer Medien zum NSU-Prozess gefordert
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, hat den Ausschluss türkischer Medien beim NSU-Prozess am Oberlandesgericht in München scharf kritisiert.

Er frage sich, ob das Gericht damit die türkische Öffentlichkeit aus dem Prozess ausschließen wolle, sagte Kolat am Dienstag. Zuvor hatte bereits die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer des Neonazi-Terrors, Barbara John, das Gericht aufgefordert, türkische Journalisten zum Prozess gegen die Rechtsextremistin Beate Zschäpe zuzulassen.

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Kolat sagte, alle türkischen Medienvertreter, mit denen er gesprochen habe, hätten ihm zugesichert, sich rechtzeitig für die Teilnahme am Prozess akkreditiert zu haben. Der "Berliner Zeitung" (Mittwoch-Ausgabe) sagte er, es sei nicht glaubhaft, dass sich die türkischen Medien allesamt zu spät gemeldet hätten. Kolat forderte das Gericht auf, die Liste mit den Eingängen der Anmeldungen zu veröffentlichen.

Das Oberlandesgericht hatte am Montag mitgeteilt, welche Medienvertreter sich zuerst akkreditiert und somit einen reservierten Platz im Sitzungssaal erhalten haben. Insgesamt stehen nur 50 reservierte Sitzplätze zur Verfügung, akkreditiert worden sind jedoch 123 Medienvertreter. Zu den Medien, die keinen reservierten Platz erhalten haben, zählen neben den türkischen Zeitungen "Hürriyet" und "Sabah Gazetesi" auch die türkische Nachrichtenagentur Anadolu, die britische BBC, die "New York Times" und das National Public Radio (NPR) aus den USA. Laut der Verfügung des Gerichts können sie nur dann einen Platz erhalten, wenn einer der fest akkreditierten Medienvertreter bis 15 Minuten vor Prozessbeginn nicht anwesend ist.

Kritik an Bürokratismus

Ombudsfrau John sagte der in Halle erscheinenden "Mitteldeutschen Zeitung" (Online-Ausgabe), sie verstehe das Akkreditierungsverfahren nicht und gehe davon aus, dass man daran noch etwas ändern werde. Der Prozess werde nicht nur in der Türkei aufmerksam verfolgt, sagte John. "Auch viele Türkischstämmige in Deutschland lesen noch türkische Zeitungen oder schauen türkisches Fernsehen", sagte John. Darum sei es wichtig, dass sie Zutritt zum Prozess bekämen.

Der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, bezeichnete es als "bürokratisch", sich allein auf die zeitliche Reihenfolge der Akkreditierungsanträge zu berufen. "Ich wünsche mir das notwendige Maß an Sensibilität und Flexibilität, so dass auch ausländische Medien über den Prozess aus erster Hand berichten können", sagte Özdemir. Weltweit habe das Versagen der Sicherheitsbehörden bei der Aufklärung der NSU-Morde für Schlagzeilen gesorgt. Umso wichtiger sei es jetzt, Transparenz herzustellen und deutlich zu machen, dass ausländische Medienvertreter willkommen sind.

"Unfall mit Ansage"

Die Bundesgeschäftsführerin der Journalistengewerkschaft dju, Cornelia Haß, nannte die Akkreditierungspraxis des Gerichts den "größtmöglichen kommunikativen und politischen Unfall mit vorheriger Ansage". Seit Monaten sei klar, dass die Plätze für Besucher und Presse im Schwurgerichtssaal nicht ausreichen würden. Dies könne man nur korrigieren, indem schnellstmöglich mit einer Übertragung des Prozesses in einen anderen Raum "für angemessene Arbeitsmöglichkeiten der Presse gesorgt werde".

Das Verfahren gegen Beate Zschäpe soll am 17. April eröffnet werden. Die drei Rechtsextremisten Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sollen zwischen 2000 und 2007 insgesamt zehn Menschen, die meisten von ihnen Migranten, ermordet haben. Der rechtsterroristische Hintergrund der Taten wurde nach Versäumnissen der Behörden in den Jahren zuvor erst im November 2011 aufgedeckt. Mundlos und Böhnhardt hatten sich am 4. November 2011 selbst getötet, als ihnen die Polizei nach einem Banküberfall auf der Spur war.