Historiker: Es gibt kein christliches Deutschland mehr

Historiker: Es gibt kein christliches Deutschland mehr
"Ein christliches Deutschland gibt es nicht mehr, die Zahl der religionspolitischen Konflikte wächst", erklärte der Forscher des Exzellenzclusters "Religion und Politik" in einer am Montag von der Universität Münster vorgesellten Studie.

Die Regelungen zwischen Kirche und Staat stammten noch aus der Nachkriegszeit. Die Rechte und Ansprüche Andersgläubiger sowie der wachsenden Gruppe an Religionslosen fielen unter den Tisch.

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Beispiele für eine staatliche Bevorzugung der Kirchen sieht Großbölting in der Kirchensteuer, dem Religionsunterricht an staatlichen Schulen oder dem Sitz von Kirchenvertretern in Rundfunkgremien. Politik und Kirchen unterschätzten den Handlungsbedarf notorisch, kritisierte der Historiker. Sie nähmen Veränderungen erst wahr, wenn sie als Probleme aufträten. Eine weitsichtige Politik, die alle Religionsgemeinschaften gleich behandle, sei nicht in Sicht, bemängelte der Historiker, der laut Universität jetzt die erste historische Gesamtschau über "Glaube in Deutschland seit 1945" vorgelegt hat.

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Kirchliches Leben sei heute hochgradig gesellschaftlich integriert, gut organisiert und oft auch politisch einflussreich, erklärte Großbölting weiter. Doch als religiöser Anbieter seien Kirchen für viele Menschen unattraktiver denn je. So gehöre aktuell nur je ein Drittel der Bevölkerung noch einer der christlichen Kirchen an. Um 1950 seien es noch 95 Prozent gewesen.

Vor allem die Teilnahme der Mitglieder am kirchlichen Leben gehe kontinuierlich zurück. "Das Christentum ist zu einem Anbieter unter vielen für Sinnstiftung und Sonntagsgestaltung geworden." Diese neue Rolle wüssten die Kirchen noch nicht zu füllen.