Strategien gegen Gewalt in Betreuungseinrichtungen gesucht

Strategien gegen Gewalt in Betreuungseinrichtungen gesucht
In sozialen Einrichtungen beklagen Psychologen und Träger einen Anstieg der Gewalt. Die Aggressivität gehe sowohl von Bewohnern als auch von Betreuern aus.

Aggressive Handlungen von Patienten und Bewohnern seien meist eine Reaktion auf vorherige Verletzungen der Intimsphäre oder Formen der Fremdbestimmung durch die Betreuer, sagte Ralf Wesuls, Psychologe und Gründer des Instituts für Professionelles Deeskalationsmanagement, am Dienstag bei einer Tagung in Bad Kreuznach. 

"Auch wenn Grenzverletzungen aus Überforderung begangen werden, stellen sie einen Machtmissbrauch dar", sagte Wolfgang Baumann, Theologe im Vorstand der Stiftung kreuznacher diakonie. Das achte Ethikforum der Einrichtung behandelte das Thema Gewalt in diakonisch-sozialer Arbeit. Das Forum wolle Gewalt enttabuisieren und Mut machen, sich offen mit dem Thema auseinanderzusetzen, sagte Baumann. 300 Teilnehmer zeigten, dass Klärungsbedarf bestehe. 

Kleinere Budgets verstärken den Druck

Hildegard Schwering, Personalratsvorsitzende am Klinikum Augsburg, beklagte den Druck auf die helfenden Berufe, der durch die knappen Budgets immer stärker werde. "Die Rahmenbedingungen sind so, dass alle verzweifeln, die empathisch sind", sagte sie. Um sich selbst zu retten, müssten sich Mitarbeiter ein dickes Fell zulegen. "Wenn ich nie die Zeit habe, das zu tun, was mein Auftrag ist, stumpfe ich ab, spüre ich mich selbst nicht mehr", sagte die ausgebildete Mediatorin. Sie forderte Patientenvertreter, Mitarbeiter und die Einrichtungen auf, gegen die Rahmenbedingungen der Arbeit zu protestieren.

Von einer immer schwieriger werdenden Klientel berichtete Dierk Starnitzke, Vorstandssprecher der Diakonischen Stiftung Wittekindshof in Bad Oeynhausen, die vor allem in der Behindertenhilfe aktiv ist. In den stationären Einrichtungen verblieben Menschen mit massivem medizinischen, pflegerischen oder psychischen Unterstützungsbedarf, sagte der Theologe.

Pflegekräften für Gewaltsituationen schulen

Gebraucht würden mehr Ressourcen für die schwierigen Pflege- und Pädagogikfälle, erklärte Michael Wunder, Psychotherapeut und Mitglied des Deutschen Ethikrates. Notwendig sei auch mehr Fortbildung für den Umgang mit Gewaltsituationen. Auch Wesuls sagte, nur geschultes Personal sei in der Lage, mit Aggressionen angemessen umzugehen. "In eskalierenden Situationen helfen nur eingespielte, antrainierte Verhaltensweisen, um die Krise zu bewältigen", sagte er.

Starnitzke ermutigte die Einrichtungen, Gewalt zu enttabuisieren und ein vertrauensvolles Unternehmensklima herzustellen. Nur wenn das gelinge, werde Gewalt auf allen Ebenen einer Einrichtung wahrgenommen, thematisiert und dann auch abgestellt.