Gericht: Anonymer Samenspender muss Namen preisgeben

Gericht: Anonymer Samenspender muss Namen preisgeben
Die Tochter eines anonymen Samenspenders hat am Oberlandesgericht Hamm das Recht auf die Herausgabe des Namens ihres biologischen Vaters erstritten. Ein durch einen Spendersamen gezeugtes Kind könne vom behandelnden Arzt Auskunft über seine genetische Abstammung verlangen, urteilte der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts am Mittwoch. Die Richter änderten damit ein vorangegangenes Urteil des Landgerichts Essen. (AZ: I-14 U 7/12)

Die Klägerin ist durch eine Samenspende im Essener Zentrum für Reproduktionsmedizin gezeugt worden und heute Mitte 20. Da die Klinik den Namen ihres biologischen Vaters nicht preisgeben wollte, weil sie den Samenspendern Anonymität zugesichert hatte, ging die junge Frau vor Gericht. Nach dem Urteil muss Klinik-Chef Thomas Katzorke ihr nun die Identität des Mannes preisgeben.

Interesse der Klägerin sei höher zu bewerten

Das Interesse der Klägerin, ihre Abstammung zu erfahren, sei höher zu bewerten als die Interessen des Beklagten und der Samenspender an einer Geheimhaltung der Spenderdaten, begründete das Oberlandesgericht die Entscheidung. Auch Geheimhaltungsinteressen der Mutter und des gesetzlichen Vaters seien nicht zu berücksichtigen, weil sie mit der Auskunftserteilung an die Klägerin einverstanden seien.

Zum Recht auf freie Entfaltung und zur Menschenwürde der Klägerin gehöre ein autonomer Bereich privater Lebensgestaltung, in dem sie ihre Persönlichkeit entwickeln und wahren könne, betonten die Richter. Dazu zähle auch, dass sie ihre Abstammung kennt. Der Essener Klinik-Chef und die Spender seien dagegen weniger schutzbedürftig, "weil sie die Folgen einer anonymen Samenspende im Vorhinein hätten berücksichtigen und sich auf die mit einem möglichen späteren Auskunftsverlangen des gezeugten Kindes hätten einstellen können".

In vielen Fällen wurden Unterlagen vernichtet

Ob die junge Frau in diesem Fall den Namen ihres biologischen Vaters tatsächlich erfahren wird, ist jedoch unklar. Der Klinik-Chef Katzorke teilte am Mittwoch mit, dass die Daten nicht mehr vorhanden seien. Bis 2007 habe die gesetzliche Dokumentationspflicht zehn Jahre betragen, Ärzte hätten die Möglichkeit gehabt, nach dem Zeitraum die Daten zu vernichten. In vielen Fällen seien diese Unterlagen tatsächlich vernichtet worden.

Die Richter in Hamm verwiesen in ihrem Urteil allerdings darauf, dass der Beklagte sich diesbezüglich widersprüchlich geäußert habe. Dass ihm eine Auskunftserteilung zu der Vaterschaft unmöglich sei, habe der Mediziner nicht bewiesen. Die Beweisaufnahme vor dem Senat habe seine Darstellung zudem nicht bestätigt. Die Richter sind der Ansicht, dass nicht davon auszugehen sei, dass der Mediziner seine damaligen Mitarbeiter vollständig befragt und eine umfassende Recherche nach den vermeintlich fehlenden Unterlagen vorgenommen habe.

Seit den 1970er Jahren über 100.000 Kinder

In Deutschland sind Schätzungen zufolge seit den 1970er Jahren über 100.000 Kinder durch sogenannte Insemination eines Spendersamens gezeugt worden. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits entschieden, dass diese Kinder einen Anspruch darauf haben zu erfahren, wer ihr Erzeuger ist. Doch ist die Auskunftspflicht daran gebunden, dass die Interessen der Mutter oder des Samenspender dadurch nicht verletzt werden.