TV-Tipp des Tages: "Tatort: Keine Polizei" (WDR)

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TV-Tipp des Tages: "Tatort: Keine Polizei" (WDR)
TV-Tipp des Tages: "Tatort: Keine Polizei", 29. Dezember, 20.15 Uhr im WDR
Keine Schnörkel, keine Botschaft, keine störenden Parallelgeschichten: In seinem elften "Tatort" mit dem Kölner Duo Ballauf und Schenk konzentriert sich Regisseur Kaspar Heidelbach ganz auf die Krimiebene. Diverse Einstellungen belegen zwar die große Sorgfalt der Bildgestaltung (Kamera: Achim Poulheim), aber die Inszenierung ordnet sich konsequent der Geschichte unter. Das Drehbuch stammt von Norbert Ehry, einem der besten Krimiautoren, der hier wieder einmal beweist, dass auch eine überschaubare Handlung durchaus komplex sein kann.

Der Titel deutet bereits an, worum es geht: "Keine Polizei" ist als Standardwarnung fester Bestandteil jeder Entführerbotschaft. Tatsächlich stoßen die Kölner Kripo-Beamten nur durch Zufall auf das Verbrechen: Im Klingelpützpark wird ein toter Rentner gefunden. Eine Anwohnerin will beobachtet haben, wie jemand verschleppt worden ist. In der Nähe des Tatorts steht ein Kabrio, dessen Verdeck trotz des Winterwetters nicht geschlossen wurde. Der Rest ist Routine, und alsbald stehen Ballauf und Schenk (Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär) den verzweifelten Eltern (Thomas Heinze, Ulrike Grote) gegenüber. Die Entführer ihres Sohnes haben sich bereits gemeldet, sie wollen eine Million Euro; aber die scheinbar wohlhabende Familie ist pleite. Trotzdem unterstellt Ballauf dem Vater, er habe die ganze Sache inszeniert.

Ehry und Heidelbach erzählen die Geschichte als Thriller, denn für die Polizisten beginnt auf dünnem Eis ein Wettlauf mit der Zeit: Wenn die Entführer merken, dass man ihnen auf der Spur ist, werden sie den jungen Mann töten. Dank diverser interessanter Randfiguren wird die Handlung allerdings immer vielschichtiger: Schenk findet raus, dass vor Jahren eine Entführung nach ganz ähnlichem Muster abgelaufen ist. Das Opfer (Oliver Bröcker) ist seither traumatisiert, die Existenz des Ehepaares (als Gattin: Katharina Wackernagel) durch die Lösegeldzahlung ruiniert.

Überraschende Wendungen und unaufgeregte Liebelei

Die falsche Fährte ist für den Sonntagskrimi zwar ähnlich obligat wie der Tote zu Beginn, doch auch in dieser Hinsicht zeigt sich Ehrys Klasse: Die Einführung der damaligen Verdächtigen, ein Zwillingspaar (Robert Gallinowski), ist weit mehr als bloß das übliche Ablenkungsmanöver. Und es spricht auch keineswegs gegen die Qualität des Drehbuchs, dass versierte Krimifans mit besonders eifrigen kleinen grauen Zellen nach einer halben Stunde eine erste Ahnung haben werden, wer hinter der zweiten Entführung steckt.

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Außerdem wartet Ehry immer wieder mit überraschenden Wendungen auf, so dass sich die konkrete Entwicklung der Geschichte kaum vorhersagen lässt. Weitaus eleganter als in früheren Drehbüchern ist zudem die private Ebene integriert: Ballauf ist nach wie vor ungeheuer angetan von Polizeipsychologin Lydia (Juliane Köhler), aber während die emotionalen Seitenstränge gerade bei den Kölner Krimis oft wie ein Fremdkörper wirken, wird die Liebelei diesmal ganz unaufgeregt und eher beiläufig erzählt. Behrendt geben die sympathischen Flirtszenen Gelegenheit, Pluspunkte für Ballauf zu sammeln und so für ein Gegengewicht zu sorgen:  Als der Kommissar ausgerechnet den erschütterten Vater des Opfers als Täter hinstellt, treiben Buch und Regie die Figur an die Grenze der Sympathie.