Zentralratspräsident Graumann kritisiert Beschneidungsdebatte

Zentralratspräsident Graumann kritisiert Beschneidungsdebatte
In der ARD-Sendung "Menschen bei Maischberger" sagte er, die Debatte werde immer hässlicher.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, beobachtet die öffentliche Debatte über die rituelle Beschneidung von muslimischen und jüdischen Jungen mit großer Sorge.

Es gebe Menschen, die gegen die Beschneidung redeten und Antisemitismus meinten. Auch in seriösen Medien finde eine "schrille und unerbittliche" Debatte statt, die ganze Gruppen ausgrenze.

Der Zentralratspräsident widersprach dem Vorwurf, die Vorhautbeschneidung sei eine Form der Körperverletzung. "Die Beschneidung ist von elementarer, substanzieller Bedeutung und kein bizarrer Brauch, sie ist Kernpflicht für jüdische Familien." Das müsse man nicht verstehen, aber respektieren, betonte Graumann. "Wenn uns Juden das unmöglich gemacht wird, dann müssten wir das Land verlassen", bekräftigte er seine wiederholt geäußerte Position.

###mehr-artikel### Eine Verschiebung der Beschneidung ins Jugendalter lehnte Graumann ab. "Im Judentum wird dies am achten Tag gemacht." Dies werde seit Jahrtausenden so gehandhabt, sagte er und sprach von einem großen "Toleranztest" für die Gesellschaft.

Den Einwand des Urologen Wolfgang Bühmann, dass er als Mediziner die körperliche Unversehrtheit eines Kindes nur bei einer medizinischen Indikation verletzen könne und gerne mit dem Zentralrat darüber in einen Dialog treten wolle, wies Graumann zurück. Ärzte seien in ihrer Entscheidung frei, sie müssten ja keine religiöse Beschneidung vornehmen, wenn sie dies nicht wollten, antwortete Graumann.

Kritikerin: Beschneidung sei "abscheuliche Sitte"

Die Soziologin, Publizistin und Islamkritikerin Necla Kelek bezeichnete die rituelle Beschneidung bei Muslimen und Juden als "abscheuliche Sitte" und Körperverletzung. Die Religionsgemeinschaften hätten nur das Wohl ihrer Gemeinschaft im Sinn, nicht aber das Wohl des einzelnen Kindes, kritisierte sie. Sie appellierte an die deutsche Justiz, sich auch weiterhin am Wohl des Individuums zu orientieren. "Auch die muslimischen Verbände müssen hier deutlicher Stellung beziehen", forderte sie.

Der Bundestag hatte Mitte Juli mit großer Mehrheit eine Resolution zur Erlaubnis religiöser Beschneidung verabschiedet. In dem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, bis Herbst einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Das Parlament reagierte damit auf ein Urteil des Kölner Landgerichts von Ende Juni, das die Beschneidung eines minderjährigen muslimischen Jungen als Körperverletzung gewertet hatte.

Im Judentum gilt die Beschneidung vor dem Hintergrund langer Verfolgungszeiten als Zeichen der Glaubenstreue. Bis heute werden in der Regel jüdische Kinder männlichen Geschlechts am achten Tag ihres Lebens beschnitten. Im Islam findet sie zwischen dem siebten Tag nach der Geburt und dem 15. Lebensjahr statt. Die Beschneidung wird im Koran zwar nicht erwähnt, es handelt sich aber um eine Überlieferung aus der islamischen Tradition.