Der trügerische Ramadan-Friede in Indonesien

Foto: AFP/Getty Images/Sonny Tumbelaka
Frieden während des Ramadan: Indonesische Muslime zelerbrieren ihre Fastenzeit.
Der trügerische Ramadan-Friede in Indonesien
An diesem Wochenende beginnt der islamische Fastenmonat Ramadan. Auch in Indonesien, dem Land mit dem größten muslimischen Bevölkerungsanteil der Welt. Mehr als 80 Prozent der Indonesier gehören dem sunnitischen Islam an. Ob während des Ramadan Frieden herrschen wird zwischen ihnen und den Minderheiten?

"Während des Ramadan sind die Muslime offener und milder gegenüber Angehörigen anderer Religionen", sagt Theophilus Bela. "Das habe ich auch vor wenigen Wochen den Teilnehmern einer interreligiösen Konferenz in Bangkok gesagt", fügt der Generalsekretär des Jakarta Christian Communication Forum hinzu.

###mehr-info###

Die große Mehrheit der muslimischen Indonesier sind auch außerhalb des Ramadans nette und freundliche Leute, die sich ihrer jahrhundertelangen Tradition der Toleranz gegenüber anderen Religionen verpflichtet fühlen. Noch. Radikale islamistische Organisationen, allen voran die mächtige Islamische Verteidigungsfront (FPI), werden immer einflussreicher.

Die zunehmenden Einschränkungen der Religionsfreiheit in Indonesien war die schlechte Nachricht, die Bela den Teilnehmern der Konferenz überbringen musste und die er auch Kanzlerin Angela Merkel bei ihrem Indonesienbesuch in der vergangenen Woche übermittelte. "Die Kanzlerin hat mir versichert, sie habe das Thema bei ihrem Treffen mit Staatspräsident Susilo Bambang Yudhoyono angesprochen", sagt Bela.

Gewalt gegen Andersgläubige

Mit Gewalt geht die FPI gegen Andersgläubige vor, seien es Christen oder islamische Minderheiten wie Schiiten oder Ahmadis. Längst hat die FPI den Rat der Ulamas, das höchste islamische Gremium Indonesiens, unterwandert. Auch die Justiz beugt sich dem Druck der radikalen Muslime. Erst in der vergangenen Woche wurde ein schiitischer Kleriker wegen Blasphemie zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt.

Din Syamsuddin, Präsident der zweitgrößten muslimischen indonesischen Organisation Muhammadiyah, sagt, er sei aktiv bei einer friedlichen Lösung der Konflikte engagiert. Zugleich betont er aber die Grenzen der "religiösen und theologischen" Einflussmöglichkeiten. "Da spielen auch politische und wirtschaftliche Faktoren eine Rolle", betont Din Syamsuddin.

Andreas Harsono ist überzeugt, dass Minderheitsreligionen während des Ramadan von FPI und ähnlich militanten Gruppen nichts zu befürchten haben. "Sie werden Druck auf Bars, Restaurants und Karaokebars ausüben, während des Ramadans nicht zu öffnen, aber Minderheitsreligionen in Ruhe lassen. Ihre Angriffe gegen andere Religionen werden sie dann kurz nach dem Ramadan wieder aufnehmen", sagt Harsono, Repräsentant der internationalen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) in Jakarta und Sprössling einer konfuzianischen Familie.

Steuert die Polizei die Radikalen? 

In der Tat hat die FPI wenige Tage vor Beginn des Ramadans angekündigt, notfalls mit Gewalt islamische Werte, Moralvorstellungen und die Schließung von Vergnügungsstätten während des Fastenmonats durchsetzen zu wollen. Dabei kann sich die radikale Organisation auf die Unterstützung der Polizei verlassen. Indonesiens Polizeichef General Timur Pradopo hat erklärt, bei der Durchsetzung von Ramadanregeln die "Einbeziehung der Öffentlichkeit" zu akzeptieren. 

Das beweist nach Auffassung indonesischer Bürgerrechtler einmal mehr, dass die Polizei die FPI steuert. Zumindest Teile der Polizei. Jakartas Polizeichef Generalinspektor Untung S. Rajab hat nämlich seinem Chef widersprochen und versichert, eigenmächtige Übergriffe militanter Gruppen nicht dulden zu wollen.

Immer populärer: Fastenbrechen im Restaurant

Wer muslimische Küche in ihrer besten Ausführung erleben will, der sollte während des Ramadan in islamische Länder reisen. Täglich nach Sonnenuntergang wird nämlich das Fasten unterbrochen und macht Platz für üppige Gelage in Restaurants oder im Familienkreis. Zu diesem Fastenbrechen, dem Iftar, werden auch Freunde aus anderen Religionen eingeladen. "Ich erhalte so manche Einladung von meinem muslimischen Freunden", sagt Pudjo Astowo, ein katholischer Arzt in Jakarta.

###mehr-artikel###

Auch sonst verhalten sich seine muslimischen Freunde und Kollegen nicht anders als sonst. "Wir treffen uns auch während des Ramadans in Cafes oder Karaokebars. Jakarta ist eine liberale und moderne Stadt hier", erzählt Astowo.

Die Modernität der indonesischen Hauptstadt hat auch die Tradition der familiären Iftar-Essen verändert. "Es wird immer populärer, nach der Arbeit zusammen mit Freunden das Fasten in Restaurants zu unterbrechen. Der horrende Verkehr in Jakarta macht es fast unmöglich, rechtzeitig zum Iftar zu Hause zu sein", weiß John Badalu zu berichten. Dann fügt der als Buddhist aufgewachsene Journalist und Filmexperte, der oft dazu von seinen muslimischen Freunden dazu eingeladen wird, hinzu: "Viele Restaurants haben gute Menuangebote. Das sind richtige Schlemmereien."

Alle freuen sich auf das Fest am Ende

Badalu sieht eine Parallele zwischen den hohen christlichen Feiertagen, zu denen mehr Menschen in Kirchen gehen als zu anderen Zeiten, und dem Ramadan: "Die meisten meiner muslimischen Freunde sind nicht religiös", sagt er. "Aber während des Ramadans beten sie doch. Der Druck von Familien und Gesellschaft ist größer als sonst und man wird schräg angesehen, wenn man den Ramadan missachtet."

Vorbereitungen für Idul Fitri, Foto: Michael Lenz

Muslime, aber auch Christen, Buddhisten, Konfuzianer, Hindus und Agnostiker freuen sich auf das Ende des Ramadan. Idul Fitri ist ein großes Fest und wie Ostern, Weihnachten oder dem buddhistischen Vesak-Fest ein Feiertag in Indonesien, der gleich mit ein paar zusätzlichen Ferientagen verlängert wird. Die werden zur Freude der Tourismusbranche zu Kurzurlauben an den Gestaden Balis und Phukets genutzt.

Bevor es aber ab an den Strand geht, wird das Ende des im Kreis der Familie gefeiert. Das setzt eine große Karawane in Bewegung. Millionen Indonesier reisen dann auf Motorrädern oder per Auto, Zug, Flugzeug oder Schiff zu ihren Familien. Eingeladen werden auch Freunde zu diesen "Open House" genannten Festen. "Die Muslime öffnen ihre Häuser und laden Freunde anderer Religionen ein, um zusammen zu feiern", sagt Bela.

In einem Kommentar zum Ende das Ramadan schrieb die Tageszeitung "Jakarta Globe" im vergangenen Jahr: "In letzter Zeit haben extremistische Gruppen versucht, sich der Religion zu bemächtigen und dem Land ihre Version des Islam aufzuzwingen – einen Islam, der von Intoleranz geprägt ist. Aber zu Zeiten wie diesen präsentieren die Muslime Indonesiens der Welt ihr wahres Gesicht."

Autor:in
Keine Autoren gefunden

Doch nach dem Ramadan werden wieder die radikalen Gruppen die Schlagzeilen bestimmen. Bela wird wieder seine Kontakte zu Polizei und moderaten muslimischen Organisationen nutzen müssen, um vor bevorstehenden Angriffen islamistischer Extremisten auf christliche Kirchen in Bekasi, Bogor oder Solo zu warnen.

Die Familie von Harsono wird die Wochenende wieder ohne Ehemann und Vater verbringen. Harsono schildert sein gewöhnliches Wochenende so: "Freitags kommt es immer wieder zu Angriffen gegen islamische Minderheiten wie Schiiten und Ahmadis. Sonntags stehen Kirchen im Visier der Radikalen. Samstags und Montags schreibe ich dann Berichte und Pressemitteilungen. Mein Wochenende ist der Dienstag. Dann habe ich Zeit für meine Kinder."