Verfassungsschutz registriert mehr politisch motivierte Straftaten

Verfassungsschutz registriert mehr politisch motivierte Straftaten
Die Nachahmung rechtsextremer Terror-Taten ist aus Sicht von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) durchaus möglich. Das Potenzial von rechtsextremer Gewalt sei in Deutschland ausreichend hoch.

Die Taten der rechtsextremen Zwickauer Terrorzelle können nach Einschätzung von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) Nachahmer finden. Er sehe das gewaltbereite Potenzial bei Rechtsextremisten, auch was Nachahmer angehe, als gegeben, sagte Friedrich am Mittwoch bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2011 in Berlin. Der Bericht widmet sich auch dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU), dessen Morde an Migranten und einer Polizistin jahrelang von den Behörden nicht in Zusammenhang mit rechtsextremen Motiven gebracht wurden.

"Das Nichtentdecken der NSU ist bisher der größte Fehler des Verfassungsschutzes", sagte Friedrich. Forderungen nach Abschaffung des Inlands-Geheimdienstes erteilte er jedoch eine Absage.

Viermal so viele rechtsextreme wie linksextreme Straftaten

Die Zahl politisch motivierter Straftaten ist 2011 dem Bericht zufolge auf insgesamt mehr als 30.200 gestiegen. Die Behören verzeichneten demnach mehr als 16.100 rechtsextreme Straftaten (2010: rund 15.900). Davon waren 755 Gewalttaten (2010: 762), von denen sich rund 280 gegen Linksextremisten oder andere politische Gegner richteten. Die Zahl der gewaltbereiten Rechtsextremisten schätzte der Verfassungsschutz 2011 auf 9.800 Personen - 300 mehr als im Jahr zuvor.

Die Gesamtanhängerschaft sei indes auf 22.400 Personen gesunken (2010: 25.000). Die Zahl der rechtsextremen Kundgebungen hat 2011 mit 260 einen Höchststand erreicht. Zudem hat es im vergangenen Jahr auch mehr rechtsextreme Konzerte (131) und aktive Bands (178) gegeben.

Linksextreme Straftaten wurden 2011 insgesamt rund 4.500 verzeichnet (2010: rund 3.750), davon 1.157 Gewalttaten. Auch hier verzeichnet der Bericht einen Rückgang der Anhänger um 400 auf 31.800. Die Zahl der gewaltbereiten Linksextremisten sei dagegen leicht auf 7.100 gestiegen.

Das Hauptaugenmerk des Verfassungsschutzes liege nach wie vor auf dem islamistischen Terrorismus, sagte der scheidende Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm. Von ihm gehe derzeit die größte Gefahr aus. Dabei verwies Fromm auch auf die radikal-islamischen Salafisten, die im Frühjahr mit Koran-Verteilaktionen für Aufmerksamkeit gesorgt hatten. Salafismus sehe er eher als Strömung, nicht als feste Organisation, sagte Fromm. Anhänger der Salafisten, deren Zahl der Verfassungsschutz auf rund 3.800 schätzt, propagieren eine Rechtsordnung streng nach Koran und Sunna.

Islamischer Terrorismus im Fokus

Die Aufklärungsarbeit des Verfassungsschutzes werde auch in den nächsten Jahren hauptsächlich auf islamischen Terrorismus gerichtet sein, prognostizierte Fromm, der im Zuge der Aufklärung über die rechtsextremistische Terrorzelle um seine Entlassung gebeten hatte. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch, dass Hans-Georg Maaßen, bisher als Unterabteilungsleiter für Terrorismusbekämpfung im Bundesinnenministerium zuständig, zum 1. August seine Nachfolge antreten soll. Fromm geht dann in den vorzeitigen Ruhestand.

Die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane, vermisst im Verfassungsschutzbericht eine klare Stellungnahme zu Fehlern und Versäumnissen. "Diese Arroganz und Unbedarftheit des Verfassungsschutzes macht mir Angst", erklärte Kahane in Berlin. Dass der Rückgang des Personenpotenzials in der rechten Szene mit Parteiaustritten bei NPD und DVU begründet werde, zeuge zudem von Naivität im Bereich Rechtsextremismus.