Religionsvertreter machen sich in Brüssel für Familien stark

Religionsvertreter machen sich in Brüssel für Familien stark
24 Repräsentanten verschiedener Religionsgemeinschaften haben an die Politiker Europas appelliert, in Zeiten der Wirtschaftskrise die Solidarität zwischen den Generationen zu stärken. Es lasse sich wesentlich mehr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt tun, unterstrichen die Teilnehmer eines hochrangigen Dialogtreffens am Donnerstag in Brüssel. Zu der Zusammenkunft hatten die Spitzen von EU-Kommission, -Rat und -Parlament eingeladen. Vertreter christlicher, muslimischer, jüdischer, Hindu- und Bahai-Gemeinschaften waren der Einladung gefolgt.

"Jede Generation ist mit besonderen Schwierigkeiten konfrontiert", hob Annette Kurschus hervor, die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, die bei dem Treffen in Brüssel die EKD vertrat. Junge Menschen mit guter Ausbildung erhielten nur befristete Verträge oder Praktika. Menschen in mittleren Jahren seien hingegen durch Beruf, Kinder und Pflege mehrfach belastet. "Und wir hören die Klagen der älteren Menschen, die mitten im Leben stehen, aber deren Lebenserfahrung und Engagement wenig gefragt ist."

Die nationale und die EU-Politik müssten die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, verlangte Kurschus. Der katholische Erzbischof von Mechelen-Brüssel, André-Joseph Leonard, forderte eine Stärkung der Familien: "Das impliziert mutige Schritte in der Fiskalpolitik, finanzielle Unterstützung für das dritte oder vierte Kind und soziale Maßnahmen für die Balance zwischen Beruf und Familie." Angesichts der Alterung der Gesellschaft seien auch eine klug gestaltete Zuwanderung und eine Reform der Rentensysteme nötig, sagte er.

Auch die Schuldenproblematik kam in den Blick

Die Vertreter der Religionsgemeinschaften treffen sich traditionell einmal jährlich mit den Präsidenten der EU-Institutionen zum Gespräch. Die Euro- und Wirtschaftskrise sorgte diesmal für eine besondere Intensität. Der EU-Politik liege das Thema Solidarität sehr am Herzen, unterstrichen EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. Den Kirchen und Religionsgemeinschaften komme eine wichtige gesellschaftliche Funktion zu.

Der Vizepräsident des Europaparlaments, László Surján, nahm die Schuldenproblematik in den Blick: "Schulden sind nicht nur eine Bürde für die nachfolgenden Generationen, aufgrund der Verzinsung vermehren sie sich noch." In Europa habe es einst zinsfreie Zeiten gegeben, erläuterte er. "Es mag unrealistisch sein, über ein zinsfreies Finanzsystem nachzudenken, aber die alarmierenden Nachrichten aus der City of London sorgen mittlerweile für einen starken Wunsch nach etwas völlig Neuem."

Oberrabbiner von Rom: "Die Familie ist wesentlich"

Der griechisch-orthodoxe Metropolit Athanasios widersprach Vorwürfen, dass die griechische Kirche zu wenig Steuern an den klammen Staat zahle. Die Kirche halte alle Vorschriften ein, sagte er. Zudem kämen "die Einnahmen der Kirche vollständig den Menschen zu". Hingegen sei es eine Tatsache, dass lokale Behörden die Kirche illegalerweise enteignet hätten.

Mohammed Moussaoui, Präsident des "Französischen Rats des Muslimischen Glaubens", unterstrich, dass Konflikte zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen in aller Regel nicht auf Religion oder Kultur, sondern auf wirtschaftliche Probleme zurückzuführen seien. Der Oberrabbiner von Rom, Riccardo di Segni, forderte ebenso wie die katholische Seite eine Stärkung der Familie: "Die Familie ist wesentlich. Die Wirtschaftskrise hängt eng mit der Schrumpfung der Bevölkerung zusammen", sagte er.