Nicht leicht: Christsein in Indonesien

Foto: dpa/Made Nagi
Christinnen auf Bali, Indonesien, auf dem Weg in die Kirche.
Nicht leicht: Christsein in Indonesien
Diskriminiert, angefeindet, ermordet: In Indonesien werden die Rechte von Christen und anderen Minderheiten verletzt. Auf ihrer Reise in das südostasiatische Land will Bundeskanzlerin Merkel eine Kirche und eine Moschee besuchen.
08.07.2012
epd
Nicola Glass

Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag nach Indonesien reist, besucht sie ein Land vieler Religionen und Völker. Doch um Demokratie und religiöse Toleranz ist es dort nicht zum Besten bestellt. Menschenrechtler bescheinigen Indonesien zwar große Fortschritte seit dem Ende des Suharto-Regimes 1998.

Aber die Rechte von Minderheiten würden weiter mit Füßen getreten, sagt Andreas Harsono, Indonesien-Experte von "Human Rights Watch" in Jakarta. Die religiös motivierte Gewalt nahm 2011 in Indonesien zu, wie aus dem Jahresbericht seiner Organisation hervorgeht. Das bestätigt auch das indonesische "Setara-Institut für Demokratie und Frieden": 2010 listet es 216 Fälle auf, im vergangenen Jahr 244.

Doppelte Diskriminierung der Opfer

"In den meisten Fällen religiöser Gewalt wird gegen die mutmaßlichen Täter weder ermittelt noch werden diese angeklagt", kritisiert Harsono. Geschehe das aufgrund des öffentlichen Drucks in einigen Fällen doch, erhielten die Gewalttäter nur vergleichsweise milde Strafen. Auch Polizisten und Militärs bleiben bei Übergriffen meist straflos.

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Für besonderes Aufsehen sorgte ein brutaler Überfall auf Angehörige der Ahmadiyyah. Die Gemeinschaft versteht sich als Reformbewegung innerhalb des Islam und wird immer wieder von Extremisten angegriffen. Im Februar 2011 wurde eine Gruppe von 20 Ahmadis in der Ortschaft Cikeusik auf der Insel Java von 1.500 Männern attackiert. Drei Ahmadis wurden ermordet, fünf weitere schwer verletzt. Zwölf der mutmaßlichen Täter, die vor Gericht landeten, kamen mit drei bis sechs Monaten Haft davon.

Allerdings wurde wenig später auch eines der Opfer zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Das Gericht erklärte, der Mann habe zu Gewalt angestiftet und die Anordnungen der Polizei nicht befolgt. Eine doppelte Diskriminierung der Opfer, kritisiert "Human Rights Watch" scharf.

Mehr als 400 Kirchen in fünf Jahren geschlossen

Neben den Ahmadis werden besonders Christen angefeindet, die rund neun Prozent der 240 Millionen Indonesier ausmachen. Eine wachsende Anzahl diskriminierender Gesetze untersage es diesen Minderheiten faktisch, ihre Religionen auszuüben, sagt Harsono. "Mehr als 400 Kirchen sind in den vergangenen fünf Jahren geschlossen worden", betont er und beruft sich dabei auf Angaben des Indonesischen Kirchenrates.

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Wiederholt kam es vor, dass lokale Behörden auf Druck militanter Islamisten die Wiedereröffnung oder den Neubau von Kirchen verweigerten, auch wenn die Gerichte dies angeordnet hatten. Der Generalsekretär des Kirchenrats, Gomar Gultom, schilderte in einem Zeitungsinterview die wachsende Frustration unter den Christen.

Jochen Motte von der Vereinten Evangelischen Mission in Wuppertal berichtet, dass die indonesischen Behörden Anfang Mai in der Provinz Aceh 17 Kirchen geschlossen hätten. "Sie haben dem Druck radikaler Islamisten nachgegeben, die immer wieder vor den Kirchen demonstriert haben", sagte Motte in einem Interview des Frankfurter Magazins "Welt-Sichten" (Juli-Ausgabe). "Zurzeit müssen die 15.000 Christen der Region ihre Gottesdienste in Privatwohnungen oder unter freiem Himmel feiern."

Merkel will eine Kirche und eine Moschee besuchen

Laut dem Setara-Institut sank zwar die Zahl religiöser Gewalttaten im ersten Halbjahr 2012 leicht. Zur Entwarnung sieht man aber keinen Anlass. Auch das Bekenntnis zum Atheismus kann einem Indonesier Gefängnis einbringen, wie kürzlich einem jungen Staatsbediensteten, der zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde. Kanzlerin Merkel will jedenfalls ein Bekenntnis zu Toleranz ablegen: Sie will die evangelische Emmanuel-Kirche in Jakarta besuchen - und die Istiqlal-Moschee, die größte Moschee Südostasiens.

Selbst in der indonesischen Regierung sind die Meinungen geteilt: "Während Religionsminister Suryadharma Ali die wachsende religiöse Intoleranz grundsätzlich leugnet, räumt dessen Stellvertreter Nazaruddin Umar ein, dass das Problem immer gravierender wird", sagt Harsono. Selbst Polizisten gäben zu, dass sie ihren Job nicht richtig erledigten, während andere Indonesien als tolerantes Land bezeichneten.