Warum das erzgebirgische Kunsthandwerk so bekannt ist

Warum das erzgebirgische Kunsthandwerk so bekannt ist
Weihnachtliche Exportschlager wie Räuchermann und Schwibbogen haben ihren Ursprung im Erzgebirge. Doch zur Entstehung haben sich einige Mythen verbreitet.
11.12.2025
epd
epd-Gespräch: Katharina Rögner (epd)

Dresden (epd). Die Bekanntheit von Kunsthandwerk aus dem Erzgebirge geht nach Ansicht des Dresdner Kunsthistorikers Igor Jenzen auch auf einen Marketingtrick zurück: Der Volkskundler Oskar Seyffert (1862-1940) habe im 19. Jahrhundert die Produkte der damaligen Spielzeughersteller zur „Volkskunst“ erhoben und damit das Image des Erzgebirges gestärkt, sagte Jenzen im Gespräch mit dem Evangelischer Pressedienst (epd).

Weihnachtlicher Holzschmuck wie Kerzenpyramiden, Schwibbögen, Engelfiguren oder Räuchermännchen aus dem Erzgebirge werden weltweit verkauft. Seyffert habe im 19. Jahrhundert, nach Ende des Bergbaus, den erzgebirgischen Spielzeugherstellern gesagt: „Stellt doch mal Drehpyramiden her und Steigerfiguren.“ Zuvor hatten diese Hersteller Jenzen zufolge „gar nichts mit den Weihnachtsfiguren zu tun“. Auch die sogenannten Reifentiere, die aus einem gedrechselten Holzreifen herausgeschnitten wurden, habe Seyffert massiv beworben.

Sehnsucht der Bergleute nach dem Licht ist „fromme Legende“

Im 18. Jahrhunderts hätten die Bergleute noch im Wohnzimmer geschnitzt und ihre Waren in die Ecken gestellt. Die Stube sei dann auch der Verkaufsladen gewesen. Zu Weihnachten hätten sie ihre Kunst „illuminiert“ - nach dem Vorbild höfischer und kirchlicher Feste mit vielen Lichtern. Nachbarn seien gekommen und die ersten Kunden gewesen, erzählte Jenzen. Auf diese Weise seien die Bergbausouvenirs in das Weihnachtsfest gekommen. Schließlich wurden auch Krippen und weihnachtliche Figuren hergestellt.

Bis heute wird das erzgebirgische Kunsthandwerk häufig mit der Sehnsucht der Bergleute nach Licht verbunden. Dieser Überlieferung widerspricht Jenzen: „Das ist eine fromme Legende, die etwa Ende des 18. Jahrhunderts verbreitet wurde“, erläuterte er: „Diese Lichterseligkeit kommt eben nicht von der Sehnsucht nach dem Tageslicht, sondern von der Illumination, die an Feiertagen im Erzgebirge besonders gepflegt wurde“.

Bergleute hatten besondere Freiheiten

In keinem anderen ehemaligen deutschen Bergbaugebiet habe sich das Kunsthandwerk so entwickelt wie in Sachsen, sagte Jenzen, der der von 2004 bis 2021 Direktor des Museums für Sächsische Volkskunst der Staatliche Kunstsammlungen Dresden war. Dafür gebe es noch einen weiteren Grund: Der sächsische Kurfürst August der Starke (1670-1733) habe die Bergleute gefördert und sogar üppige bergmännisch geprägte Feste veranstaltet.

Bergarbeiter hatten Jenzen zufolge Freiheiten, die andere Menschen damals nicht hatten: Sie mussten nicht in den Krieg ziehen, konnten bestimmte Rechte geltend machen, hatten einen festgelegten Grundlohn und eine klare Arbeitszeit - acht Stunden, wenn auch in Schichten. Sie hätten gut verdient und oft eigenes Geld über Kuxen (Vorläufer der heutigen Aktien) in den Bergbau investieren können. Aber sie seien auch sehr aktiv gewesen, hätten „immer irgendetwas gewerkelt“ und nach den Schichten zum Beispiel Straßen gepflastert, Kräuter gesammelt, Musik gespielt oder Bergbau-Souvenirs hergestellt.