Berlin, Hannover (epd). Am Dienstag sind 192 weitere Afghaninnen und Afghanen aus den Aufnahmeprogrammen nach Deutschland gekommen. Wie eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums mitteilte, waren 102 Frauen und 90 Männer an Bord eines Flugzeugs. Sie sollten danach in die Erstunterkunft nach Friedland bei Hannover gebracht werden. Es war der erste Flug mit einer größeren Anzahl von Menschen, denen Deutschland die Aufnahme versprochen hatte. Viele weitere müssen aber weiter um ihre Ausreise bangen. Kritik an der Haltung der Bundesregierung kommt derweil auch von der Kirche.
Bis zu 1.900 Menschen, denen frühere Bundesregierungen nach der Rückeroberung Afghanistans durch die Taliban Schutz in Deutschland versprochen hatten, warten in der Region noch auf die Einhaltung dieser Zusage. Es geht dabei um frühere lokale Mitarbeiter von Bundeswehr und deutschen Institutionen und Menschen, denen durch ihr Engagement für den Aufbau eines demokratischen Staates in Afghanistan heute in ihrer Heimat Verfolgung droht.
Bischof: Geldangebot „untragbar“
Die neue Bundesregierung hatte angekündigt, Aufnahmeprogramme wie die für Afghanistan „soweit wie möglich“ zu beenden. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte die Aufnahmen gestoppt und später in kleinen Gruppen nur diejenigen einreisen lassen, deren Aufnahmezusage vor Gericht als bindend beurteilt wurde. Das gilt vor allem für Menschen, die eine Zusage aus dem Bundesaufnahmeprogramm haben. Für andere, mehr als 650 Menschen, gibt es derweil kaum Hoffnung auf eine Ausreise, weil sie nach Einschätzung des Innenministeriums keine rechtsverbindliche Zusage haben.
Ihnen hat Dobrindt Geld angeboten, wenn sie auf die Ausreise verzichten. Am Dienstag äußerte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) harsche Kritik an diesem Vorgehen. „Wer die Menschenwürde ernst nimmt, kann doch nicht ernsthaft verlangen, dass gefährdete Menschen ihre Sicherheit, ja ihr Leben gegen Geld eintauschen“, erklärte der EKD-Flüchtlingsbeauftragte Christian Stäblein. Solche Angebote seien „untragbar für die Betroffenen - und sie beschädigen unsere eigene Würde“, sagte der Berliner Bischof.
EKD gibt 100.000 Euro für Klagen gegen Bundesregierung
Wie aus der Mitteilung der EKD hervorgeht, stellt sie aus Kollekten 100.000 Euro für die Klageverfahren der Betroffenen zur Verfügung. Das Geld soll an die Organisation Kabul Luftbrücke gehen, die das juristische Vorgehen der Betroffenen gegen die Bundesregierung ins Rollen gebracht hatte.
Dass Dobrindt nicht allen Menschen mit Aufnahmeversprechen die Einreise genehmigen will, sorgt auch bei den Grünen weiter für Empörung. Diese Menschen hätten für Demokratie und Rechtsstaat Verantwortung getragen und das Engagement deutscher Soldatinnen und Soldaten ermöglicht, sagte der Grünen-Innenpolitiker Marcel Emmerich. Sie jetzt ihrem Schicksal zu überlassen, „wäre ein politisches und moralisches Versagen“, sagte er.



