Dresden (epd). Die evangelische Kirche ringt auf ihrem Weg zu bundesweit einheitlichen Regeln zur Entschädigung von Betroffenen sexualisierter Gewalt um Details. Bei der Synodentagung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wurde am Dienstag in Dresden die Sorge deutlich, dass die vereinbarten Regeln zu den Anerkennungsleistungen für Missbrauchsbetroffene nicht wie geplant flächendeckend zum 1. Januar in Kraft treten könnten. Auch die angestrebten Kriterien für die Höhe der Zahlungen stehen noch aus.
Mitglieder des Beteiligungsforums appellierten bei der Jahrestagung des Kirchenparlaments eindringlich an Landeskirchen und diakonische Landesverbände, die Regeln umzusetzen. Die Richtlinie sei nur dann ein „Meilenstein“, wenn sie einheitlich umgesetzt werde, sagte die Sprecherin der Betroffenen, Nancy Janz. Die für das Thema zuständige pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst sagte, es müsse gelingen, dass Landeskirchen und Diakonieverbände „über den föderalen Schatten springen“.
Die Richtlinie regelt die Verfahren, über die Menschen, die Opfer sexualisierter Gewalt in der Kirche oder diakonischen Einrichtungen geworden sind, Entschädigungen erhalten. Kernstück der Reform ist ein einheitliches Modell für die finanziellen Leistungen, die bislang in den Landeskirchen sehr unterschiedlich ausfallen. Die Richtlinie sieht eine pauschale Summe in Höhe von 15.000 Euro vor, wenn es sich um eine nach heutigen Maßstäben strafrechtlich relevante Tat handelt. Zusätzlich kann es individuelle Leistungen ohne finanzielle Obergrenze geben.
Richtlinie soll ab 1. Januar überall gelten
Die Richtlinie ist bereits vom Rat der EKD sowie der Kirchenkonferenz, dem Zusammenschluss der Landeskirchen, beschlossen worden, muss aber in den zuständigen regionalen Gremien noch umgesetzt werden. Erarbeitet wurde die Richtlinie vom Beteiligungsforum, in dem Betroffenenvertreter und Kirchenvertreter über Aufarbeitung, Prävention und Entschädigung sexualisierter Gewalt beraten.
Die pfälzische Kirchenpräsidentin Wüst sagte, „bis zum Erweis des Gegenteils“ gehe sie davon aus, dass die Richtlinie zum 1. Januar 2026 in allen Landeskirchen und diakonischen Verbänden in Kraft ist. Sie betonte, es scheitere „nirgendwo daran, dass inhaltliche Hürden zu nehmen sind“. Die Frage sei eher, wann die zuständigen Gremien zusammenkommen.
Details zu Zahlungen noch strittig
Teil der Anerkennungsrichtlinie ist auch ein sogenannter Anhaltskatalog, der den regionalen Unabhängigen Anerkennungskommissionen eine Orientierung geben soll, um die Folgen von Missbrauchstaten abzuschätzen. Ziel ist, dass alle Kommissionen möglichst ähnlich entscheiden. Janz beschrieb den Katalog als eine Sammlung von „hypothetischen Fällen“, um Folgen für die Betroffenen in der individuellen Leistung abzubilden.
Doch genau hierüber gebe es harte Verhandlungen und noch keine Einigung. „Wenn wir hier jetzt eine Zahl nennen, ist damit gegebenenfalls eine Obergrenze gesetzt, die die Richtlinie ja ausschließt. Wir wollen als Betroffenenvertreter da keine faulen Kompromisse eingehen“, sagte Janz.
Betroffenensprecherin dringt auf mehr Einfluss
Die EKD-Synode fordert inzwischen für jede ihrer jährlichen Tagungen einen Bericht des Beteiligungsforums über den Stand der Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt an. Die Betroffenensprecherin Janz beklagte vor den Synodalen eine mangelnde Teilhabe an der Entscheidungsmacht in der Kirche. „Unsere 'Macht' hängt davon ab, wer gerade zuhört, wer uns ernst nimmt, wer in den entscheidenden Momenten Verantwortung übernimmt“, sagte sie.



