Dresden (epd). Die 2021 gegründete Jüdische Kultusgemeinde Dresden bekommt eine eigene Tora-Rolle. In den kommenden 18 Monaten wird ein ausgebildeter Schreiber die fünf Bücher Mose auf Pergament bringen. Der Entstehungsprozess ist erstmals in Europa öffentlich. Eigens dafür wurde vor dem Stadtmuseum Dresden ein gläserner Pavillon errichtet. Das Projekt „Die ewige Schrift“ wird unter anderem von dem Museum und vom Stadtbezirksamt Dresden-Altstadt unterstützt.
Das öffentliche Schreiben der neuen Tora-Rolle begann mit einer Feier im Rathaus. Der Dresdner Rabbiner Akiva Weingarten würdigte das Vorhaben als „ein Zeichen dafür, dass jüdisches Leben sichtbar, präsent und selbstverständlich ist - mitten in Dresden und Europa“. Der Vorstandsvorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde, Kai Lautenschläger, sagte: „Mit dem Projekt wollen wir unsere Rolle in der Stadtgesellschaft stärker wahrnehmen.“ Die Gemeinde wolle damit auch das Judentum zugänglich machen.
Die Tora gilt als die heiligste Schrift der Juden. In ihr sind die fünf Bücher Mose in hebräischer Schrift von Hand aufgeschrieben. Der Prozess des Schreibens sei ein „heiliger Akt“ und finde streng nach den überlieferten Regeln statt, sagte Weingarten. Diese besagen unter anderem, dass dem Schreiber keine Fehler unterlaufen dürfen. Andernfalls muss er neu beginnen.
Beschrieben wird die Tora-Rolle von dem Sofer Joshua Diaz. Ein Sofer (deutsch: Schreiber) ist im Judentum ein Spezialist für das kunstvolle Schreiben religiöser Texte. Diaz wird laut Weingarten täglich etwa vier Stunden damit beschäftigt sein. Bis er die fünf Bücher Mose handschriftlich auf ein Pergament gebracht hat, würden etwa anderthalb Jahre vergehen.
Nach jüdischer Tradition dürfen ausgewählte Persönlichkeiten die ersten Worte der Tora schreiben. In Dresden war es unter anderem Rabbiner Weingarten. Vertreter der Stadt, der Kirchen und der Gesellschaft hielten ihm beim Schreiben der ersten Worte den Arm, darunter auch der Dresdner evangelische Superintendent Christian Behr.
Die chassidisch-liberal ausgerichtete Jüdische Kultusgemeinde hatte im September 2023 mit Unterstützung der Stadt ihre eigene Synagoge in der Dresdner Eisenbahnstraße eingeweiht. Dort gibt es bislang nur eine Tora-Rolle als Dauerleihgabe. Andre Barth vom Stadtbezirksamt Dresden-Altstadt sagte, die neue jüdische Gemeinde stehe für ein modernes Judentum. Das Projekt sei „ein starkes Symbol für Offenheit und gesellschaftliche Verantwortung“.
Der US-amerikanische Vizekonsul Dave Panetti aus Leipzig betonte mit Blick auf den wachsenden Antisemitismus: „Es ist unsere Pflicht, wachsam zu bleiben und aktiv gegen Hass und Intoleranz vorzugehen.“ Das Tora-Projekt sei ein „lebendiges Beispiel dafür, wie kulturelle und religiöse Brücken gebaut werden können“. Es sei auch „ein Symbol für die Kraft des Austausches der Kulturen“.
Der Jüdischen Kultusgemeinde Dresden gehören nach eigenen Angaben rund 200 Menschen an. In Sachsen leben mehr als 2.5000 Jüdinnen und Juden.