Berlin (epd). Laut der Organisation Kabul Luftbrücke schieben die pakistanischen Behörden derzeit schutzsuchende Afghaninnen und Afghanen trotz deutscher Aufnahmezusagen nach Afghanistan ab. Demnach durchsuchen pakistanische Sicherheitskräfte in Islamabad Unterkünfte afghanischer Schutzsuchender, die auf ihre Ausreise warten. Hunderte seien bereits verhaftet, Dutzende abgeschoben worden, teilte die Organisation am Donnerstag mit. Grüne und Linke werfen der Bundesregierung vor, die Schutzsuchenden im Stich zu lassen.
Da Deutschland keine diplomatische Vertretung in Afghanistan hat, werden die Verfahren über Pakistan abgewickelt. Kabul Luftbrücke liegen nach eigener Darstellung Dutzende Berichte über vollzogene Abschiebungen vor, teilweise unter Gewaltanwendung. Auch Familien sollen dabei getrennt worden sein. Demnach wurden zwei Schwestern im Alter von 17 und 18 Jahren ohne ihre Familie verhaftet und nach Afghanistan gebracht.
Unter den Betroffenen befindet sich den Angaben zufolge auch eine Familie, für die das Verwaltungsgericht Berlin bereits einen positiven Eilbeschluss erlassen hat. Laut Kabul Luftbrücke gibt es mittlerweile 15 solcher Gerichtsentscheidungen. Obwohl die Gerichte die Aufnahmezusagen als verbindlich bestätigen, verzögern eingelegte Rechtsmittel der Bundesregierung demnach oft die Visa-Erteilung. „Fakten schafft nun die pakistanische Regierung - zum Nachteil der Schutzsuchenden“, heißt es in der Mitteilung der Organisation. Sie fordert die Bundesregierung auf, allen afghanischen Schutzsuchenden mit Zusagen umgehend Visa auszustellen und bereits Abgeschobene in Sicherheit zu bringen.
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Schahina Gambir warf der Bundesregierung vor, schutzsuchende Afghaninnen und Afghanen in Lebensgefahr zu bringen. Es sei ein Skandal, dass afghanische Staatsangehörige mit deutscher Aufnahmezusage aus Pakistan nach Afghanistan abgeschoben würden. „Seit Monaten ignoriert die Bundesregierung deren rechtlich bestätigte Schutzbedürftigkeit“, kritisierte die Innenpolitikerin. Statt die Menschen in Sicherheit zu bringen, würden sie dem Taliban-Regime schutzlos ausgeliefert.
Auch die innen- und fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Clara Bünger, kritisierte das Vorgehen der Bundesregierung. „Dieses Ausmaß an Unmenschlichkeit und das Versagen deutscher Regierungspolitik sowie deutscher Behörden ist immens“, erklärte sie. Trotz gerichtlicher Entscheidungen und mündlicher Zusagen weigere sich die deutsche Regierung bisher, den Schutzsuchenden die versprochenen Visa auszustellen. Bünger forderte die Regierung auf, ihr Wort zu halten: „Jetzt muss sofort gehandelt werden: Visa ausstellen, Abschiebungen stoppen!“
Rund 2.300 gefährdete Afghaninnen und Afghanen mit rechtlich verbindlichen deutschen Aufnahmezusagen warten derzeit in Islamabad auf ihre Ausreise. Nach der Taliban-Machtübernahme 2021 organisierte Deutschland mehrere Charterflüge über Pakistan - auch für ehemalige Ortskräfte deutscher Institutionen. Die Bundesregierung aus Union und SPD will die Aufnahmeprogramme „soweit wie möglich“ beenden und hat die Einreisen derzeit ausgesetzt. Das Innenministerium kündigte am Mittwoch eine „zeitnahe“ Entscheidung über die Aufnahmen der noch Wartenden an.