Frankfurt a.M. (epd). In der Diskussion über die Verlängerung der Lebensarbeitszeit erntet Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) mit ihrem Vorstoß für eine spätere Rente Zustimmung und Kritik. Wirtschaftsweise Martin Werding unterstützte die Ministerin und forderte ebenfalls neue Regeln. „Auch wenn es unpopulär ist - wir müssen länger arbeiten“, sagte der Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bochum der Oldenburger „Nordwest-Zeitung“ (Samstag). Ablehnung kommt derweil von der Opposition und dem CDU-Koalitionspartner SPD.
Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann erteilte Reiche im Gespräch mit der Zeitung „Welt am Sonntag“ eine Abfuhr: „Wer in seinem Berufsleben hart körperlich gearbeitet hat und sich mit Anfang 60 darauf einstellt, bald in Rente zu gehen, weil ein solcher Job nicht bis ins hohe Alter durchzuhalten ist, sollte das tun können“, sagte er.
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) kritisierte den Vorstoß und nannte ihn eine Scheindebatte. „Viele erreichen aus gesundheitlichen Gründen bereits das jetzige Renteneintrittsalter nicht“, sagte sie dem „RedaktionsNetzwerk Deutschland“ (RND). „Für diese Menschen wäre das eine Rentenkürzung.“ Zunächst müsse dafür gesorgt werden, dass die Menschen länger gesund arbeiten können.
Auch die Möglichkeit der Frühverrentung für langjährig Versicherte dürfe nicht abgeschafft werden. „Wer 45 Jahre geackert hat, für den muss auch mal Schluss sein“, sagte die SPD-Chefin. „Wer gleichzeitig über eine Erhöhung der Lebensarbeitszeit und die Abschaffung der Rente für langjährig Versicherte spricht, hat von der Lebensrealität vieler Menschen keine Ahnung und macht ihnen Angst.“
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) hatte in der vergangenen Woche für eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit plädiert. Zur Begründung nannte sie den demografischen Wandel und die steigende Lebenserwartung. Linke, Grüne und die AfD haben Reiches Pläne in den vergangenen Tagen abgelehnt, ebenso wie zahlreiche SPD-Politikerinnen und Politiker.
Werding forderte, bei der Rente mit 67 dürfe nicht Schluss sein. Alle zehn Jahre müsse die Regelaltersgrenze um sechs Monate steigen. „Ab 2050 gäbe es dann die Rente mit 68 Jahren, ab 2070 mit 69 Jahren.“ Anders sei die Bevölkerungsentwicklung mit immer mehr immer älteren Menschen nicht aufzufangen.
Die Abschläge, mit denen Beschäftigte auch früher in den Ruhestand gehen könnten, müssten von jetzt 3,6 auf fünf bis sieben Prozent steigen, sagte Werding, der seit 2022 Mitglied des Sachverständigenrates Wirtschaft ist. Den Einwand, schwer körperlich arbeitende Menschen wie Dachdecker könnten nicht so lange arbeiten, ließ der Wirtschaftsexperte nicht gelten. Das Rentensystem könne sich nicht an speziellen Berufsgruppen ausrichten. „Viele Dachdecker suchen sich andere Jobs, bevor sie 60 werden, das wurde längst untersucht.“ Wer nicht mehr arbeiten könne, erhalte eine Erwerbsminderungsrente. Diese sei spürbar verbessert worden.
Das früher bei 65 Jahren liegende Renteneintrittsalter wird seit 2012 schrittweise angehoben und wird 2031 bei 67 Jahren liegen. Diese Altersgrenze gilt für alle, die 1964 oder später geboren wurden. Ein vorgezogener Rentenstart ist möglich, wenn Abschläge hingenommen werden; zudem gibt es Ausnahmen etwa für besonders langjährig Versicherte und für Schwerbehinderte. Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD heißt es: „Statt einer weiteren Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters wollen wir mehr Flexibilität beim Übergang vom Beruf in die Rente.“