Frankfurt a.M. (epd). Rund 7.500 Bücher der Universitäts-Bibliothek in Frankfurt am Main haben ursprünglich Besitzern gehört, die während der NS-Diktatur unrechtmäßig enteignet wurden. Der Anteil der betroffenen Bände sei wesentlich größer als vermutet, sagte Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität, am Dienstag zum Abschluss eines Provenienz-Forschungsprojekts. Mit der Untersuchung hatte die Universitätsleitung einen Beitrag zur Aufarbeitung des NS-Unrechts leisten wollen.
„Wir wollten wissen, welche Bestände aus enteignetem Besitz in unserer Bibliothek liegen, und das geschehene Unrecht in Bezug auf die widerrechtliche Übernahme der Exponate wiedergutmachen“, erklärte Schleiff. „Dass diese Aufgabe nun so viel umfangreicher sein wird als erwartet, stellt uns vor große Herausforderungen.“
Der Bericht zu den Beständen der Universitätsbibliothek, von denen ein Teil offiziell der Stadt Frankfurt gehört, stelle lediglich einen „ersten Schritt“ zur Aufarbeitung der Enteignungen dar, sagte die städtische Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD): „Die schiere Menge der geraubten Bücher in den gemeinsamen Beständen von Universität und Stadt ist bestürzend.“
Die Goethe-Universität hatte die Herkunft von insgesamt rund 79.000 Bänden geprüft, die zwischen 1942 und 1945 in den Bestand aufgenommen worden waren. Außerdem wurden Bücher aus dem früheren amerikanischen „Offenbach Archival Depot“ in den Blick genommen. Es war nach dem Zweiten Weltkrieg eingerichtet worden, um Raubgut zurückzugeben. In vielen Fällen waren die einstigen Besitzer jedoch zunächst nicht mehr zu ermitteln.
Während der NS-Diktatur waren jüdische Bürgerinnen und Bürger systematisch enteignet worden. Nachdem zuvor bereits Immobilien und Wertpapiere vom Staat eingezogen worden waren, wurde ihnen vor Beginn der Deportationen in Konzentrations- und Vernichtungslager zuletzt auch der Hausrat geraubt und teils öffentlich versteigert.