Religionswissenschaftler: Mitgefühl zentrale Botschaft des Dalai Lama

Religionswissenschaftler: Mitgefühl zentrale Botschaft des Dalai Lama
26.06.2025
epd
epd-Gespräch: Stephan Cezanne

Münster (epd). Der Dalai Lama, der am 6. Juli 90 wird, gilt weltweit als Symbol für eine Ethik des Mitgefühls: Einer seiner Grundgedanken sei, dass Menschen dann glücklich seien, wenn sie nach dem Glück der anderen strebten, sagte der Münsteraner Religionswissenschaftler Perry Schmidt-Leukel dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Er glaubt, dass alle großen Religionen ein solches Mitgefühl fördern, aber auch hindern können.“ Tenzin Gyatso, der 14. Dalai Lama, wurde 1935 in der damaligen tibetischen Provinz Amdo geboren.

Schmidt-Leukel würdigte ihn auch als Pionier des interreligiösen Dialogs. So habe er etwa „von sich aus den Dialog mit dem Judentum gesucht“, sagte der Seniorprofessor für Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie an der Universität Münster. Er habe sich angesichts der heftigen buddhistisch-islamischen Konflikte immer wieder auch schützend vor Muslime gestellt. Im christlich-buddhistischen Dialog gehöre er zu den wichtigsten Protagonisten. Schmidt-Leukel würdigte zudem den Einsatz des Dalai Lama für die Menschenrechte und seine kompromisslose Gewaltfreiheit.

Obwohl seine Anhängerschaft im Westen ihn als spirituelles Vorbild und Inbegriff der Weisheit verehrt, sei der Dalai Lama „nicht der 'Papst des Buddhismus', was immer wieder kolportiert wird“, unterstrich der Autor von religionswissenschaftlichen Standardwerken. Schmidt-Leukel: „Es gibt ja auch keinen Papst des Christentums, sondern einen Papst gibt es nur in der katholischen Kirche.“ Der Dalai Lama sei nicht einmal das religiöse Oberhaupt des tibetischen Buddhismus, sondern habe eine besondere repräsentative Würdestellung.

Der Dalai Lama floh 1959 aus dem Potala-Palast in Lhasa nach Indien, nachdem chinesische Truppen den Volksaufstand in Tibet niedergeschlagen hatten. Bis heute ist Dharamsala, eine Bergstadt im Himalaya, der Sitz der Exilregierung und die Residenz des Dalai Lama. Er gilt als moralische Autorität und wichtigste Stimme im Kampf der Tibeter für mehr Autonomie. Der buddhistische Mönch wurde 1989 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Ob es einen Nachfolger geben wird, ist unklar.