Mehr antimuslimische Vorfälle 2024

Mehr antimuslimische Vorfälle 2024
Überwiegend Frauen betroffen
60 Prozent mehr antimuslimische Übergriffe als im Vorjahr - das hat die Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit (Claim) in ihrem Lagebild für 2024 verzeichnet. Besonders häufig betroffen waren Frauen. Die Allianz fordert Gegenmaßnahmen.

Berlin (epd). Im Jahr 2024 sind nach Angaben der Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit (Claim) mit 3.080 antimuslimischen Vorfällen bundesweit so viele Übergriffe wie noch dokumentiert worden. Das bedeute einen Anstieg um 60 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, erklärte Co-Geschäftsführerin Rima Hanano am Dienstag bei der Vorstellung des Jahresberichts 2024 in Berlin. Zudem gehe die Allianz von einer hohen Dunkelziffer aus.

Mehr als die Hälfte der Fälle waren demnach verbale Angriffe. Rund jeder fünfte Übergriff sei durch verletzendes Verhalten gekennzeichnet gewesen. Zudem habe es 198 Körperverletzungen gegeben (2023: 182). Die Zahl der Sachbeschädigungen stieg von 93 auf 122 Fälle an.

Anders als im Vorjahr wurden auch zwei Tötungsdelikte registriert. Einer der Fälle hatte sich im Februar 2024 in Gummersbach (Nordrhein-Westfalen) abgespielt. Dabei wurde ein 24-Jähriger durch Messerstiche getötet.

In 71 Prozent der dokumentierten Fälle sind laut Lagebericht Frauen betroffen gewesen. Die Bundesvorsitzende des Sozialdienstes muslimischer Frauen, Ayten Kilicarslan, sagte am Dienstag im Radiosender WDR 5, bei Frauen mit Kopftuch sei die Religionszugehörigkeit besonders erkennbar, und deshalb würden sie häufiger Ziel von antimuslimischem Rassismus. Die Pädagogin rief zu mehr Wachsamkeit bei solchen Übergriffen auf. Auch Claim betonte in dem Lagebericht eine „Verschränkung von Rassismus und Sexismus“.

Die meisten antimuslimischen Übergriffe haben sich demnach im öffentlichen Raum ereignet (25 Prozent), gefolgt von Bildungseinrichtungen mit rund 22 Prozent. Zudem gab es mehr als 70 Angriffe auf Moscheen, hieß es.

Hanano sieht einen Zusammenhang mit gesellschaftlichen, medialen und politischen Debatten. Stigmatisierung und Kriminalisierung würden antimuslimische Übergriffe befeuern: „Es werden Dinge gesagt, die vorher nicht sagbar waren.“

Claim hat deshalb zehn zentrale Handlungsempfehlungen zur Bekämpfung von antimuslimischem Rassismus formuliert. Dort sind unter anderem unabhängige Beschwerdestrukturen, beispielsweise für Schulen und die Polizei und rassismuskritische Fortbildungsmaßnahmen für Mitarbeiter von Behörden vorgesehen. Außerdem solle durch eine bessere Erfassung antimuslimischer Vorfälle das Dunkelfeld ausgeleuchtet werden.

Die Allianz will zudem erreichen, dass der 1. Juli als bundesweiter Gedenktag gegen antimuslimischen Rassismus eingeführt wird. Am 1. Juli 2009 wurde Marwa El-Sherbini im Landgericht Dresden aus antimuslimischen Motiven ermordet.

Die Zahlen wurden demnach unter anderem von 26 Melde- und Beratungsstellen in 13 Bundesländern sowie aus der Statistik über politisch motivierte Kriminalität und aus Polizeimeldungen zusammengetragen. 2023 hatten sich daran 17 Beratungsstellen beteiligt.

Claim vereint und vernetzt nach eigenen Angaben mehr als 50 muslimische und nichtmuslimische Akteure der Zivilgesellschaft. Das Lagebild werde gefördert vom Bildungs- und Innenministerium des Bundes.