Genf (epd). Mehr als 122 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht vor Krieg, Gewalt und Verfolgung. Damit stieg die Zahl laut Weltflüchtlingsbericht der Vereinten Nationen binnen Jahresfrist um rund zwei Millionen an. Hauptursachen seien große Konflikte wie im Sudan, in Myanmar und in der Ukraine, erklärte das Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Genf zur Veröffentlichung am Donnerstag.
Seit einem Jahrzehnt habe sich das Ausmaß der globalen Vertreibungskrise immer weiter verschärft, hieß es. Ende April seien insgesamt 122,1 Millionen Kinder, Frauen und Männer auf der Flucht gewesen. Doch während sich die Zahl der gewaltsam vertriebenen Menschen in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt hat, ist die Finanzierung für das UNHCR demnach heute in etwa auf dem Stand von 2015. Die anhaltenden Kürzungen der humanitären Hilfe seien unhaltbar und machten Menschen auf der Flucht noch verletzlicher, kritisierte das UNHCR.
Mit 14,3 Millionen Menschen auf der Flucht hat der Krieg im Sudan laut Bericht die inzwischen größte Vertreibungskrise der Welt verursacht. Dahinter folgen Syrien (13,5 Millionen Menschen), Afghanistan (10,3 Millionen Menschen) und die Ukraine (8,8 Millionen Menschen).
Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, forderte die Weltgemeinschaft auf, ihre diplomatischen Anstrengungen zu verdoppeln, um Frieden zu schaffen und dauerhafte Lösungen für Geflüchtete zu finden. Ein Hoffnungsschimmer sei die Rückkehr vieler Vertriebener in ihre Heimatregionen in Syrien.
Bundesentwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan (SPD) verwies darauf, dass bei den meisten Konflikten Nachbarländer wie Jordanien, der Libanon, Äthiopien oder Kenia die Hauptlast schulterten. Diese zu unterstützen, sei eine Frage von Mitmenschlichkeit und Solidarität. „Es liegt aber auch im Interesse Deutschlands, wenn Menschen in der Nähe ihrer Heimat bleiben können und sich nicht auf die gefährliche Weiterflucht nach Europa machen müssen.“
Der Weltflüchtlingsbericht sei ein Weckruf, erklärte der Generalsekretär der Welthungerhilfe, Mathias Mogge. Die steigende Zahl gewaltsamer Konflikte zwinge immer mehr Familien zur Flucht. Zugleich würden die Mittel für humanitäre Hilfe massiv gekürzt. „Das ist nicht nur unverantwortlich, sondern gefährdet jeden Tag Menschenleben.“
Die Linken-Politikerin Clara Bünger kritisierte, auch Deutschland versage hierbei. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) entrechte Geflüchtete systematisch, bei der Unterstützung für Flüchtlinge werde gekürzt. Zugleich investiere die Bundesregierung Milliarden in Aufrüstung.
„Die Welt fällt auseinander“, stellte der Generalsekretär des Norwegischen Flüchtlingsrats (NRC), Jan Egeland fest. „Das Versagen der globalen Diplomatie und der Konfliktlösungsbemühungen - und vor allem das Versagen beim Schutz der Zivilbevölkerung - ist bestürzend.“
Aufgrund der Rückkehr in Heimatregionen oder -länder sank die Zahl der Vertriebenen laut UNHCR seit dem Jahreswechsel wieder etwas: Ende Dezember hatte sie einen Höchststand von 123,2 Millionen erreicht. Dabei nahmen die Binnenvertriebenen, die vor Konflikten innerhalb des eigenen Landes flüchten müssen, den größten Anteil ein. Ihre Zahl wuchs dem Bericht zufolge bis Ende 2024 um 6,3 Millionen auf 73,5 Millionen. Die Zahl der Flüchtlinge bezifferte das UNHCR Ende 2024 auf 42,7 Millionen. Flüchtlinge verlassen ihr eigenes Land und suchen Schutz in anderen Staaten.