Kirchentag zieht ernüchternde Bilanz zum Klimaschutz

Kirchentag zieht ernüchternde Bilanz zum Klimaschutz
Obwohl die Bedrohung durch den Klimawandel allgegenwärtig ist, mangelt es an Anstrengungen zur Bekämpfung seiner Folgen. Zu diesem Fazit kommen auf dem evangelischen Kirchentag in Hannover prominente Gäste wie Altbundeskanzlerin Angela Merkel.

Hannover (epd). Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Kirchen haben beim evangelischen Kirchentag in Hannover eine ernüchternde Bilanz zum Kampf gegen den Klimawandel gezogen. In einer Reihe von Veranstaltungen beleuchtete das Christentreffen am Donnerstag unter anderem die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels für den Globalen Süden und die Verantwortung Europas für die Begrenzung von Klimafolgen. Altbundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) setzte vor Tausenden Zuhörerinnen und Zuhörern den skeptischen Grundton zu einem der Schwerpunktthemen des Kirchentages. „Gerecht werden wir dieser Menschheitsaufgabe bis heute nicht“, sagte sie bei einer Bibelarbeit auf dem hannoverschen Messegelände.

Für sie sei die Frage nach wie vor offen, „ob wir Menschen willens und in der Lage sind“, im Sinne der Vorsorge entsprechend den Warnungen und Einschätzungen von Experten zu handeln, betonte Merkel. Der Beweis dafür sei bis heute nicht erbracht, dies gelte für Deutschland wie für den Rest der Welt. „Diese Feststellung lastet schwer auf uns, auch auf mir“, räumte Merkel ein, die von 2005 bis 2021 deutsche Regierungschefin war.

Auch der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK), der rund 580 Millionen Christinnen und Christen in rund 350 Kirchen weltweit vertritt, vermisst konsequenten Klimaschutz. Auf dem Kirchentag drängte die Organisation auf die Umsetzung eines bereits 2022 verabschiedeten Klimaschutzappells. In einer am Donnerstag veröffentlichten Stellungnahme fordert der ÖRK von den katholischen und evangelischen Kirchen in Deutschland unter anderem die Bereitstellung zusätzlicher Mittel für Klimaprojekte und die Einflussnahme auf die Umsetzung von Klimaschutzzielen in Politik und Wirtschaft. Zudem solle die Kirche eine „wirksame und prophetische Stimme“ für die Klimaschutzbewegung sein.

Grünen-Chefin Franziska Brantner verwies auf die Bedeutung des Recyclings für den Klimaschutz. In Deutschland habe Wiederverwertung „einen verstaubten Öko-Ruf“, bislang werde weniger als ein Prozent aller Rohstoffe aufbereitet. Dabei gebe es hierzulande erfolgreiche Firmen in dem Sektor. In China sei Recycling hingegen schon die „hotteste Technologie“.

Perspektiven des Globalen Südens beleuchtete unter anderem die nigerianische Klimaaktivistin Adenike Titilope Oladosu. Bei einem Podium zur Klimagerechtigkeit betonte die Agrarökonomin, Europa setze bei Unterstützungsleistungen im Kampf gegen den weltweiten Klimawandel oftmals falsche Anreize. So bekomme etwa Nigeria große finanzielle Unterstützung für klimaschädlichen Gas- und Ölabbau. Der Wandel zu erneuerbaren Energien werde dagegen kaum gefördert. Afrika stehe „an der Front“ der Klimakrise, sagte Oladosu. Schon heute seien Millionen von Menschen durch Dürren und Überschwemmungen in ihren Lebensgrundlagen bedroht.

Auch die kenianische Energieexpertin Grace Mbungu betonte, Europa und Deutschland stünden gegenüber Afrika in der Verantwortung, etwa bei der Herstellung von grünem Wasserstoff oder Ammoniak mithilfe von Solar- oder Windenergie. „Wir haben nicht die Möglichkeit, die Partnerschaft auf Augenhöhe mit Deutschland einzugehen“, sagte sie.

Bei einer Dialogbibelarbeit mit dem Berliner Bischof Christian Stäblein rief die Klimaaktivistin Luisa Neubauer dazu auf, Mut zum Widerspruch zu haben. Das Engagement gegen die „Verbohrten und Egozentrischen“ zahle sich langfristig aus, sagte die Mitbegründerin der Klimabewegung „Fridays for Future“. „Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen und nicht aus den Augen verlieren, worum es geht - es geht um alles.“