Bremerhaven (epd). Wissenschaftler des Bremerhavener Alfred-Wegener-Institutes (AWI) für Polar- und Meeresforschung warnen vor einer „Verquallung“ der Ozeane. Quallen könnten künftig zu den wenigen Gewinnern der Klimakrise zählen und von steigenden Wassertemperaturen profitieren, teilte das AWI am Mittwoch mit.
Im Computermodell setzten Forschende des Institutes acht weit verbreitete arktische Quallenarten steigenden Temperaturen aus. „Das Ergebnis: Bis auf eine Ausnahme konnten alle untersuchten Spezies ihren Lebensraum bis in die zweite Hälfte des laufenden Jahrhunderts massiv polwärts ausdehnen.“ Die „Feuerqualle“ habe ihr Ausbreitungsgebiet sogar fast verdreifacht - mit potenziell dramatischen Folgen für das marine Nahrungsnetz und die arktischen Fischbestände. Die Studie wurde im Fachmagazin „Limnology and Oceanography“ veröffentlicht.
Die transparenten Nesseltiere profitierten neben den höheren Wassertemperaturen auch von Nährstoffeinträgen und Überfischung, hieß es. „In Kombination könnten diese Faktoren zu einer gewaltigen Verschiebung im Ozean führen - weg von einem produktiven und von Fischen dominierten Nahrungsnetz hin zu einem weniger produktiven Meer voller Quallen.“
„Viele Quallen ernähren sich von Fischlarven und Eiern und verzögern oder verhindern so eine Erholung von unter Druck geratenen Fischpopulationen, die zudem meist auch noch durch den Menschen stark bewirtschaftet werden“, erklärte Dmitrii Pantiukhin, Doktorand in einer auf arktische Quallen spezialisierten AWI-Nachwuchsgruppe und ergänzte: „Wer also wissen will, wie sich die auch für uns wichtige Nahrungsquelle Fisch in Zukunft entwickeln wird, muss die Quallen in den Blick nehmen.“
Die Ergebnisse verdeutlichten, wie dramatisch der Klimawandel die Ökosysteme des Arktischen Ozeans in Zukunft verändern könne, sagte Pantiukhin. „Die prognostizierte Ausdehnung der Quallenhabitate könnte massive und kaskadenhafte Auswirkungen auf das ganze Nahrungsnetz haben.“
Noch offen sei die Frage, wie sich der Vormarsch der Nesseltiere auf die arktischen Fischbestände auswirken würde. Vieles spreche aber dafür, dass wichtige arktische Fischspezies wie der Polardorsch, dessen Larven und Eier häufig von Quallen gefressen würden, noch stärker unter Druck gerieten. Das müsse unter anderem in Fischerei-Plänen berücksichtigt werden, wenn ein Zusammenbruch stark befischter Bestände vermieden und eine nachhaltige Bewirtschaftung gesichert werden solle.