"Eine Wallfahrt nach La Ghriba ist wie Sushi essen"

Iris Völlnagel
Die Synagoge La Ghriba – die Wundertätige - ist eine der interessantesten Sehenswürdigkeiten der tunesischen Touristeninsel Djerba.
"Eine Wallfahrt nach La Ghriba ist wie Sushi essen"
Die Synagoge La Ghriba auf der tunesischen Insel Djerba ist eine der ältesten der Welt. Im April 2002 wurde sie durch einen Anschlag berühmt, bei dem 21 Menchen starben. Bis heute ist La Ghriba jedes Jahr zum jüdischen Feiertag Lag BaOmer Ziel einer Wallfahrt. Seit der Revolution in Tunesien ist die Zahl der Teilnehmer stark zurückgegangen - doch diejenigen, die kommen, genießen das Pilger-Erlebnis.

Muriel Melloul strahlt übers ganze Gesicht. Gerade hat sie zusammen mit ihrem Mann in der altehrwürdigen Synagoge La Ghriba den Segen des Rabbis zugesprochen bekommen. Die La Ghriba-Synagoge auf der tunesischen Ferieninsel Djerba ist eine der ältesten der Welt. Bereits zum vierten Mal nimmt die französische Jüdin an der jährlichen Wallfahrt teil.

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"Eine Wallfahrt nach La Ghriba ist wie Sushi essen. Wenn du es noch nie gemacht hast, denkst du, was ist das denn?! Aber sobald du es einmal gemacht hast, möchtest du es immer wieder haben", erklärt Melloul. Zur Wallfahrt kam sie durch ihren Mann. Er ist in Tunesien geboren und kam früher immer mit seiner Mutter nach La Ghriba. Heute weckt jede Reise Kindheitserinnerungen.

Rabbi David Hania spendet den Pilgern Segen. Foto: Iris Völlnagel

Die Wallfahrt findet jedes Jahr am jüdischen Feiertag Lag BaOmer statt, 33 Tage nach Pessach. Mit der Wallfahrt wollen die tunesischen Juden auch an zwei Rabbis erinnern, die vor vier Jahrhunderten wichtige Kommentare zur jüdischen Weisheitslehre Kabbala veröffentlichten.

Die Geschichte der Juden auf Djerba reicht weit zurück und ist von vielen Legen umwoben. Bereits im 6. Jahrhundert vor Christus sollen die ersten Juden nach der Eroberung Jerusalems durch den babylonischen König Nebukadnezar nach Djerba gekommen sein. Die Flüchtlinge sollen Steine vom zerstörten Tempel mitgenommen haben, die sie dann in die Synagoge einbauten. Im 14. und 15. Jahrhundert kamen weitere Flüchtlinge aus Spanien auf die Insel. Die Juden spielten im kulturellen Leben eine wichtige Rolle. Heute leben noch 1200 Juden auf Djerba.

Tradition: Rohe Eier in der Grotte ablegen

Die Synagoge La Ghriba – die Wundertätige - ist eine der interessantesten Sehenswürdigkeiten der tunesischen Touristeninsel. Das heutige Gebäude wurde 1920 errichtet. Von außen wirkt es schlicht, doch innen ist die Synagoge prachtvoll ausgestaltet: bemalte Majolikakacheln, blau-weiß strahlende maurische Bögen, filigranes Schnitzwerk zieren Türen, Fenster, Bänke. In die Schlagzeilen kam die Synagoge am 11. April 2002, als bei einem Anschlag 21 Menschen starben, darunter 14 Deutsche. Seitdem sind die Sicherheitsvorkehrungen bei der Wallfahrt groß.

Vor der tunesischen Revolution kamen bis zu 5000 Pilger aus Nordafrika, Frankreich, Israel, den USA und Kanada. Im Revolutionsjahr 2011 waren fast nur Einheimische da. In diesem Jahr sind es schätzungsweise einige Hundert. "Unsere Freunde konnten nicht verstehen, warum wir hierher reisen", meint Muriel. Nach den Anschlägen von Toulouse hätten viele französische Juden Angst zu kommen. Auch in Israel wurde vor Reisen gewarnt.

Sandra betet für ihre Familie. Foto: Iris Völlnagel

Sandra Krief aus Genf und ihr Mann haben es sich trotzdem nicht nehmen lassen, ihren Urlaub auf Djerba zu verbringen. Nach der Segenszeremonie, bei der das Paar mit dem Rabbi eine reichliche Portion Boukha, tunesischen Feigenschnaps, und Mandeln teilt, befolgt Sandra noch ein weiteres Ritual. In der kleinen Grotte im Nebenraum legt sie ungekochte Eier ab. Sieben Stück insgesamt, für sich, ihre Familie und Freunde. Der Tradition zufolge legen Frauen, die heiraten oder Kinder bekommen wollen, ungekochte Eier in die Grotte. Die Eier bleiben die ganze Nacht dort und sollen durch die Hitze der Kerzen gekocht werden. In diesem Jahr betet die jüdische Mutter vor allem für die Geburt ihres ersten Enkels und dass ihre beiden Söhne bald Ehefrauen finden. Sie glaubt fest daran, dass die Wünsche, die sie hier äußert, in Erfüllung gehen.

Minister: "Ich hoffe, die Juden bleiben hier"

Gegen Abend stattet Tunesiens Tourismusminister Elys Fakhfakh den Pilgern einen Besuch ab. Der Muslim ist zum ersten Mal in La Ghriba und zeigt sich beeindruckt von der fröhlichen Stimmung und dem guten Miteinander von Juden und Moslems vor Ort. "Die Tunesier jüdischen Glaubens sind genauso Tunesier wie alle anderen auch, betont der Minister. Durch die Revolution hätten auch sie mehr Freiheiten. Er hoffe nicht, dass sie sich durch die Salafisten irritieren lassen. Im Januar hatten Salafisten in den Straßen von Tunis während eines Besuchs eines pälästinenischen Politikers aus Gaza "Tod den Juden" gerufen. "Ich hoffe, die Juden bleiben hier. Und vielleicht kommen auch wieder welche zurück", so der Minister.

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Weggehen käme überhaupt nicht in Frage, meint Perez Trabesi, Präsident der La Ghriba und zuständig für die jüdische Gemeinschaft auf Djerba. Die Juden lebten seit Generationen hier. Seit der Revolution herrsche Meinungsfreiheit und nun könne jeder sagen, was er denkt. Den Juden ginge seit der Revolution nicht schlechter. Die Salafisten redeten zwar, so betont Trabeski, aber niemandem sei irgend etwas passiert.

Nach der Abfahrt des Ministers feiern Pilger noch den ganzen Abend weiter. "Wir sind so etwas wie Botschafter", meint Muriel Melloul. Zuhause will sie allen erzählen, wie schön es in La Ghriba war. Vielleicht, so hofft sie, kommen im nächsten Jahr wieder mehr Pilger – so wie früher.