Forscherin: Einsamkeit gefährdet die Demokratie

Forscherin: Einsamkeit gefährdet die Demokratie

Brüssel (epd). Einsamkeit ist laut der Forscherin Yvonne Wilke auch ein gesellschaftliches Problem. „Studien zeigen, dass einsame Jugendliche demokratische Werte und Normen häufiger ablehnen und eher Verschwörungstheorien anhängen“, sagte die Leiterin des „Kompetenznetzes Einsamkeit“ am Dienstag in Brüssel bei einer Veranstaltung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Das Vertrauen der Betroffenen in öffentliche Institutionen sei geringer, sie gingen seltener wählen, teilten eher rechtsextremistische Einstellungen und wählten eher rechtsextremistische Parteien.

Die Bundesregierung hat 2023 eine „Strategie gegen Einsamkeit“ vorgestellt und fördert durch das „Kompetenznetz Einsamkeit“ die Forschung zu Einsamkeit und die Verbreitung von Wissen zum Thema. Dazu gehört auch der Bericht „Einsamkeitsbarometer“.

Demnach sind Menschen mit geringem Einkommen und Erwerbslose besonders häufig von Einsamkeit betroffen. Wilke betonte die Gefahren insbesondere für Kinder aus armen Haushalten. „Wenn ich als Kind wenig sozial teilhaben kann, weil meinen Eltern das Geld dafür fehlt, ist das Risiko erhöht, dass ich eine Einsamkeitsbelastung entwickele, die sich auch später im Leben verfestigen kann.“

Zur Risikogruppe gehörten außerdem Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung. Auch queere Personen, Menschen mit Pflegebedarf sowie pflegende Angehörige und Alleinerziehende sind Wilke zufolge besonders gefährdet.

Anne Gidion, die Bevollmächtigte des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der EU, betonte in Brüssel, dass sich Einsamkeit von vielen anderen Krisen unterscheide: „Dagegen kann man wirksam etwas tun. Alles, was es dafür braucht, ist eigentlich vorhanden. Das ist ein Unterschied zu Krieg, Klimawandel oder Bevölkerungswachstum und sollte uns ermutigen“, sagte sie. Die Kirchen und die Seelsorge spielten dabei eine besondere Rolle.

Die Pastorin Melanie Kirschstein stellte in Brüssel ein Projekt der evangelischen Kirche in Hamburg vor, die Nachbarschaftsinitiative „Zusammen Wir“. Dort können sich Interessierte unter anderem für die Seelsorge weiterbilden. Ein Weg, sich selbst aus der Einsamkeit zu befreien, sei, anderen dabei zu helfen, erklärte Kirschstein.