TV-Tipp: "Wilsberg: Gottes Werk und Satans Kohle"

Fernseher vor gelbem Hintergrund
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14. Februar, ZDFneo, 21.45 Uhr:
TV-Tipp: "Wilsberg: Gottes Werk und Satans Kohle"
Der "Wilsberg"-Abend auf ZDFneo beginnt zwar bereits um 20.15 Uhr, aber "Mörderische Rendite" beginnt als Lehrstück zur Finanzkrise. Die zweite Episode ist erfreulicherweise von ganz anderem Kaliber. Ein Krimi, an dem nichts auszusetzen ist. Mit schön schrägem Humor.

Mit seinen vielen Erklärungen und dem dauernden Fachvokabular mutet der Krimi wie die adaptierte Broschüre einer Verbraucherzentrale an. Viel schlimmer ist jedoch, dass sich der Film nicht für seine eigene Geschichte zu interessieren scheint: Weil sich alles nur ums Geld dreht, gerät zwischendurch regelmäßig in Vergessenheit, dass es nach der Erschießung eines Bankfilialleiters eigentlich um Mord geht. Die zweite Episode ist von ganz anderem Kaliber, zumal schon der Titel eine gewisse Vorfreude weckt: "Gottes Werk und Satans Kohle" (Erstausstrahlung war 2019), eine Anspielung auf John Irvings großartigen Roman "Gottes Werk und Teufels Beitrag", ist ein Krimi, an dem es nichts auszusetzen gibt. 

Bereits die Grundidee ist originell: Wilsberg (Leonard Lansink) geht ins Kloster. Als Handlungsort ist so ein ehrwürdiges Gemäuer ohnehin interessant, zumal es sich – "Der Name der Rose" lässt grüßen – vortrefflich als schaurigen Schauplatz inszenieren lässt. Entscheidender für die Dichte der Geschichte ist jedoch die Überschaubarkeit: Ähnlich wie beim Inselkrimi oder wie in vielen Erzählungen von Agatha Christie gibt es gewissermaßen kein Entrinnen; und alles, was von draußen kommt, wird als Bedrohung wahrgenommen. Das gilt in diesem Fall vor allem für einen Bauunternehmer, der das marode Kloster angeblich in ein Seniorenheim umwandeln will, in Wirklichkeit aber ganz andere Pläne hat.

Da dieser Hollerbach von Simon Licht verkörpert wird, trägt die Figur förmlich einen Schurkenstempel auf der Stirn. Die Handlung beginnt mit einem Auftrag für den Privatdetektiv: Das Kloster ist dank des Börsengeschicks von Kassenfrau Christa (Inka Friedrich) zu einem ansehnlichen Spekulationsvermögen gekommen, aber nun ist das im Altar versteckte Geld, immerhin 1,5 Millionen Euro, futsch. Kaum hat sich Wilsberg zur Kontemplation im Kloster eingenistet, ereignet sich auch noch ein Mord: Einer der polnischen Arbeiter, die das Gebäude renovieren, wird in der Krypta erschlagen. 

David Ungureit hat viele Drehbücher für die ARD-Märchenreihe "Sechs auf einen Streich" geschrieben und dabei stets eine höchst unterhaltsame Mischung aus spannenden und komischen Situationen gefunden. Seine Fernsehfilme, Komödien wie "Ein Reihenhaus steht selten allein" (2013) oder auch mal ein Krimi wie die "Big Data"-Geschichte "Mord Ex Machina" (2017), ein "Tatort" aus Saarbrücken, waren in der Regel ebenfalls sehenswert. Das gilt auch für sein "Wilsberg"-Debüt, zumal es ihm gelungen ist, das gesamte Ensemble glaubwürdig in die Geschichte zu integrieren. Wilsberg-Kumpel Ekki (Oliver Korittke) hat ein ganz eigennütziges Interesse an dem Fall, weil er vom brillanten Gespür der Schatzmeisterin profitieren möchte. Christa bedauert ihr Werk allerdings längst, weil Mammon doch des Teufels ist. 

Regisseur Martin Enlen hat viele richtig gute "Wilsberg"-Krimis gedreht, und auch "Gottes Werk und Satans Kohle" hat alles zu bieten, was die langjährigen Freunde der Reihe zu schätzen wissen. Dazu zählen nicht zuletzt die unvermeidlichen, aber mit heiterer Gelassenheit inszenierten Geplänkel zwischen dem Detektiv und Kommissarin Springer (Rita Russek). Zur Freude der vielen Overbeck-Fans spielt der Oberkommissar diesmal wieder eine besondere Rolle, weil er sich unsterblich in die junge Lisa (Joyce Ilg) verliebt; kein Wunder, dass die Entnahme einer Speichelprobe einem erotischen Akt gleichkommt. 

Sehr gelungen ist auch Enlens Spiel mit dem "Gothic"-Genre; dazu lädt der Schauplatz natürlich ein. Dank Bildgestaltung (Philipp Timme) und Musik (Matthias Weber) wirkt die Auftaktszene mit der an einen "Gargoyle" aus entsprechenden Horrorfilmen erinnernden Steinfigur wie der Beginn eines Schauer-Thrillers. Der Film will zwar nicht "Der Name der Rose" sein, aber gerade die Nachtaufnahmen kommen dem berühmten Werk recht nahe.

Gegen Ende greift Enlen den Einstieg noch mal auf, als verirrte Kugeln aus Overbecks Dienstwaffe für eine sehr effektvoll  inszenierte verzögerte Kettenreaktion sorgen und die Skulptur gemeinsam mit dem halben Klosterdach in die Tiefe stürzt. Angesichts des guten Gesamteindrucks stört es auch nicht weiter, dass der Börsenjargon von Schwester Christa etwas aufgesetzt wirkt.

Umso sympathischer sind die Loriot-Details: Das Kreuz in Wilsbergs Kammer gerät beharrlich immer wieder in Schieflage, und als Overbeck an einem Strauß Blumen schnuppert, den er seiner rehäugigen Angebeteten überreichen will, bleibt ein Blütenblatt an seiner Nase hängen. Ungureit und Enlen erlauben sich sogar die Hommage, die vermutlich berühmteste Dialogzeile Loriots zu zitieren: "Sagen Sie jetzt nichts!" Amüsant sind auch die verschiedenen Paraphrasierungen der zehn Gebote; das Spektrum reicht von "Du sollst Deinen Onkel ehren" bis zum bislang noch unbekannten elften Gebot, "Du sollst keine dummen Fragen stellen".