Gefängnispsychologin: Jugendgewalt wird brutaler

Gefängnispsychologin: Jugendgewalt wird brutaler
04.12.2023
epd
epd-Gespräch: Von Julia Pennigsdorf

Hameln (epd). Die Straftaten von Jugendlichen werden nach Ansicht der Psychologin Katja Liebmann brutaler und aggressiver: „Die Taten werden heftiger und die Täter jünger“, sagte Liebmann dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es sei deshalb wichtig, bei Verhaltensauffälligkeiten von Kindern frühzeitig genau hinzuschauen. „Gewalttaten kommen niemals aus dem Nichts, sie haben immer eine Vorgeschichte.“ Liebmann arbeitet seit 2006 in der Jugendanstalt (JA) Hameln, seit drei Jahren leitet sie die Sozialtherapie im größten Jugendgefängnis Deutschlands.

Liebmann zufolge steigt die Zahl der sehr jungen Gefangenen in der JA Hameln, auch psychische Probleme und Verhaltensauffälligkeiten nähmen zu. Über die Ursachen könne sie nur Vermutungen anstellen, da es dazu bisher keine belastbaren Studien gebe. „Ich denke, wir haben es hier, insbesondere bei den sehr jungen Gefangenen, mit Nachwirkungen der Pandemie zu tun“, sagte Liebmann. Der Lockdown, der Verlust stabilisierender Alltagsstruktur wie Freunde und Schule hätten Kinder in ihrer Entwicklung beeinträchtigt.

Dazu komme der Konsum digitaler Medien mit zum Teil verstörenden Inhalten, die einfach so mit einem Klick verfügbar seien. „Und natürlich spielt bei der Verunsicherung auch die krisenhafte Weltlage eine Rolle.“

In dieser Lebenssituation seien verlässliche Bezugspersonen wichtig. Die aber fehlten jungen Straftätern in der Regel. 90 Prozent der Häftlinge in der JA Hameln hätten in ihren Herkunftsfamilien viel Instabilität erfahren: Gewalt, emotionale Vernachlässigung, Trennung, Sucht. „Wenn das nicht aufgefangen wird, von anderen Bezugspersonen, wird es schwierig.“

An die Gesellschaft appellierte die Gefängnispsychologin, Probleme mit Jugendlichen nicht unter den Teppich zu kehren und frühzeitig und transparent zu handeln. Aufgerufen seien alle gesellschaftlichen Akteure, Eltern, Lehrer, Nachbarn, Sozialarbeiter, Mitarbeiter von Jugendämtern. „Gibt es Schwierigkeiten und Konflikte, dann muss das auf den Tisch und offen besprochen werden.“