Bundestag sagt Antisemitismus den Kampf an

Bundestag sagt Antisemitismus den Kampf an
Im Gedenken an die Reichspogromnacht 1938 macht sich der Bundestag für einen entschlossenen Kampf gegen Antisemitismus stark. Innenministerin Faeser fordert die Gesellschaft auf, Judenhass nicht zu tolerieren.

Berlin (epd). Der Bundestag schwört Deutschland auf einen entschlossenen Kampf gegen Antisemitismus ein. Bei einer Debatte über den Schutz des jüdischen Lebens in Deutschland am Donnerstag in Berlin sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mit Blick auf die historische Verantwortung der Deutschen: „Nie wieder, meine Damen und Herren, ist jetzt.“ Sie erinnerte an die Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938, den Beginn der Schoah, und betonte: „Die Erinnerung an diesen Zivilisationsbruch ist konstitutiv für unseren Staat und unsere Gesellschaft, genau wie das Versprechen: nie wieder.“

Mit Verweis auf antisemitische Hetze online und offline seit den Hamas-Terrorangriffen in Israel fügte Faeser hinzu: „Unsere Demokratie toleriert keinerlei Judenhass.“ Wer Menschen angreife, müsse mit der ganzen Härte des Rechtsstaats rechnen. Wer Massenmord rechtfertige, wer Freiheitsrechte missbrauche, um unmenschliche Straftaten und Hass zu propagieren, könne sich auf den Schutz der Meinungsfreiheit nicht berufen. „Aus Respekt gegenüber der Geschichte, aus Verantwortung für die Gegenwart und aus Sorge um die Zukunft: Deshalb halten wir dagegen.“

2023 sei nicht 1938, fügte sie hinzu. Heute könnten die angegriffenen Jüdinnen und Juden auf die Hilfe des Staates zählen, in dem sie leben. Auch die Gesellschaft sei gefordert. Antisemitismus sei ein Angriff auf die Würde der Menschen. Ihn zu bekämpfen, sei Aufgabe der gesamten Gesellschaft. „Wir sind lauter als diejenigen, die Hass verbreiten“, sagt Faeser.

Der Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, sagte, dass es 85 Jahre nach der Reichspogromnacht wieder ein reiches jüdisches Leben gebe, sei „ein unfassbar wertvolles Geschenk“. Heute gehe es darum, das Vertrauen der Juden in den deutschen Staat zu rechtfertigen. Dobrindt forderte die Bundesregierung auf, Antisemitismus als besonders schweren Fall von Volksverhetzung einzustufen und mit mindestens sechs Monaten Haft zu bestrafen. Straftäter müssten ausgewiesen werden und antisemitische Straftaten eine doppelte Staatsbürgerschaft ausschließen, sagte Dobrindt und forderte Faeser auf, das Staatsangehörigkeitsgesetz zu ändern. Auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte, es dürfe niemand deutscher Staatsbürger werden, der antisemitisch auffalle.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) betonte, dass jede Art von Antisemitismus bekämpft werden müsse, der Antisemitismus aus muslimischen, rechten und linken Milieus, die Terror als antikolonialen Befreiungskampf verharmlosten. Es sei verstörend, dass manche Linke angesichts des Terrors der Hamas daran scheiterten, wenigstens Menschlichkeit zu zeigen, sagte er. Özdemir betonte, Deutschland sei die Heimat vieler Menschen unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlicher Religion. Es sei die „vornehmste republikanische Pflicht“ eines jeden und jeder Einzelnen, dem Antisemitismus entgegenzutreten.

Auf der Ehrentribüne verfolgten die Debatte die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer, der israelische Botschafter Ron Prosor und der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Am 9. November 1938 waren die Nationalsozialisten von der Diskriminierung von Juden zu offener Gewalt übergegangen. Mehr als 1.300 Menschen wurden getötet und mindestens 1.400 Synagogen in Deutschland und Österreich stark beschädigt oder zerstört.