Gericht kippt Ausweisungsbescheid gegen nicht eingereisten Ausländer

Gericht kippt Ausweisungsbescheid gegen nicht eingereisten Ausländer
Gegen einen bisher noch nie nach Deutschland eingereisten Ausländer braucht es keinen Ausweisungsbescheid, um ihn außer Landes zu halten. Vielmehr reiche es, ihm ein Visum zu verweigern, finden die obersten Verwaltungsrichter in Leipzig.

Leipzig (epd). Gegen einen visumspflichtigen, bisher noch nie nach Deutschland eingereisten Ausländer kann kein Ausweisungsbescheid erlassen werden. Ein entsprechender Bescheid auf Grundlage des Aufenthaltsgesetzes sei gesetzeswidrig, entschied das Bundesverwaltungsgericht am Donnerstag in Leipzig. (Az. BverwG 1 C 6.22)

„Eine Ausweisung knüpft an einen Aufenthalt des Ausländers im Inland an“, sagte der Vorsitzende Richter des ersten Senats, Robert Keller, zur Urteilsbegründung. Hintergrund war eine von der Stadt München im März 2019 erlassene Ausweisungsverfügung auf der Grundlage des Aufenthaltsgesetzes und ein damit verbundenes Einreise- und Aufenthaltsverbot gegen den aus dem Irak stammenden Kläger.

Der inzwischen in Sri Lanka lebende Iraker hatte 2018 zum Zweck des Familiennachzuges zu seiner in Deutschland lebenden deutschen Ehefrau in der deutschen Botschaft in Ankara (Türkei) ein Visum beantragt. Dieser Antrag wurde abgelehnt. Die Klage dagegen ruht derzeit, hieß es am Donnerstag. Im Zuge des Visumsantrages hatte die Münchner Ausländerbehörde ihre Zustimmung verweigert und zugleich auch einen Ausweisungsbescheid erlassen.

Bei der Identitätsprüfung war den Angaben zufolge festgestellt worden, dass gegen den Iraker eine von US-Behörden im Jahr 2015 veranlasste Interpol-Ausschreibung vorlag. Dabei soll es um den Verdacht der Beteiligung an terroristischen Straftaten im Zusammenhang mit dem Bau einer Sprengfalle im Irak im Jahr 2006 gegangen sein.

Die Bundesverwaltungsrichter bestätigten nun mit ihrer Entscheidung ein Urteil des Verwaltungsgerichts München von November 2019 in erster Instanz. In zweiter Instanz hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshofs im Dezember 2021 das Urteil der Vorinstanz noch aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Das Bundesverwaltungsgericht verwies in seiner Begründung unter anderem auf „gesetzessystematische Erwägungen“. Die Regelung im Aufenthaltsgesetz, auf die sich der angefochtene Bescheid bezieht, setze einen „vorangegangenen Aufenthalt in Deutschland voraus“. Dies gehe auch aus der Gesetzgebungsgeschichte hervor.

Der Vorsitzende Richter Keller wies darauf hin, dass einem Ausländer, der noch nie in Deutschland war und für die Einreise ein Visum benötige, das Visum verweigert werden könne. „Ob es in solchen Fällen darüber hinaus einer Möglichkeit bedarf, den Ausländer auszuweisen oder ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen, bleibt der Entscheidung des Gesetzgebers vorbehalten“, fügte Keller an.

Der Bayrische Verwaltungsgerichtshof hatte in zweiter Instanz noch geurteilt, dass das „wegen einer schweren staatsgefährdenden Straftat bestehende Ausweisungsinteresse“ das ebenfalls schwerwiegende Bleibeinteresse des Klägers wegen der ehelichen Lebensgemeinschaft überwiege, hieß es weiter in der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichtes.