Auseinandersetzung um Atomkraft geht weiter

Auseinandersetzung um Atomkraft geht weiter
Wenige Tage vor der Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland melden sich Befürworter und Gegner des Ausstiegs noch einmal zu Wort.

Berlin (epd). Wenige Tage vor der Abschaltung der drei letzten Atomkraftwerke in Deutschland am kommenden Samstag geht der Streit über die Nutzung der Atomkraft weiter. Während die Grünen am Dienstag betonten, der Ausstieg werde Energie langfristig wieder verbilligen, schloss die Union den Bau neuer Meiler für die Zukunft nicht aus. Wirtschaftsverbände warnten vor Versorgungsengpässen.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sagte dem Nachrichtensender MDR Aktuell (Dienstag): „Der Strompreis wird natürlich günstiger werden, je mehr Erneuerbare wir haben.“ Die Kosten für Atomkraft seien höher als für erneuerbare Energie. Das gelte für den Bau der Kraftwerke, die Produktion der Energie und auch weiterhin für die Folgekosten. Die Frage der Endlagerung radioaktiven Mülls sei ungeklärt, der Betrieb von Zwischenlagern in ganz Deutschland koste „richtig, richtig viel Geld“, sagte Göring-Eckardt.

Auch für die Versorgungssicherheit in Deutschland sei Atomkraft nicht mehr nötig, sagte die Grünen-Politikerin. Sie habe „keine wesentliche Rolle mehr gespielt, auch nicht im letzten Winter. Es war wirklich marginal, was gebraucht worden ist.“

Demgegenüber wiesen Wirtschaftsverbände auf Risiken hin. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) warnte vor einer Zunahme des Kohlendioxid-Ausstoßes. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer kritisierte die hohen Energiekosten und warnte vor Versorgungsengpässen.

Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Jens Spahn (CDU), schloss den Neubau von Atomkraftwerken in Deutschland für die Zukunft nicht aus. Er sagte in der RTL/ntv-Sendung „Frühstart“, das könne Sinn machen, wenn es eine neue Generation von AKW gebe, die keinen Atommüll produzierten. Spahn appellierte an die FDP, in der Bundesregierung den Atomausstieg zu verhindern.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte nach langem Streit zwischen FDP und Grünen um das endgültige Aus für die letzten drei Atommeiler per Richtlinienkompetenz entschieden und das Datum auf den 15. April dieses Jahres festgesetzt. Am Ostermontag garantierte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eine sichere Energieversorgung ohne Atomkraft und prognostizierte einen Anteil von 80 Prozent erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2030.

Die Grünen-Co-Vorsitzende Ricarda Lang betonte in der „Rheinischen Post“ (Mittwoch), trotz der Differenzen in der Regierung sei man seit dem Antritt der Ampel-Regierung beim Ausbau der Erneuerbaren deutlich vorangekommen. „Der Ausstieg ist vor allem ein endgültiger Einstieg: ins Zeitalter der Erneuerbaren“, betonte Lang.

Laut aktuellem RTL/ntv-Trendbarometer sprechen sich indes zwei Drittel der Bevölkerung dafür aus, die letzten drei Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland am Netz zu halten oder zusätzlich stillgelegte Meiler wieder in Betrieb zu nehmen. 28 Prozent halten deren Abschaltung für richtig. Dass Deutschland dauerhaft ohne Strom aus Atomkraft auskommen kann, glauben 45 Prozent der Bundesbürgerinnen und -bürger, 51 Prozent zweifeln daran. Die Daten wurden Anfang April von forsa im Auftrag von RTL-Deutschland erhoben und basieren auf einer repräsentativen Befragung von 1.001 Personen.