Regierungsbericht: 263.000 Menschen in Deutschland ohne Wohnung

Regierungsbericht: 263.000 Menschen in Deutschland ohne Wohnung
Erstmals gibt es einen Regierungsbericht über die Zahl der wohnungslosen Menschen in Deutschland. Er zeigt, dass Obdachlosigkeit viele Gesichter hat. Knapp 40.000 Menschen leben auf der Straße.

Berlin (epd). Die Bundesregierung hat am Donnerstag in Berlin erstmals einen Bericht über die Zahl und die Lage der wohnungslosen Menschen in Deutschland veröffentlicht. Danach waren am 31. Januar dieses Jahres rund 263.000 Menschen wohnungslos. In die Zählung wurden drei Gruppen einbezogen: Menschen in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe, Personen, die bei Freunden oder Verwandten unterkommen und Obdachlose, die auf der Straße leben.

Aus dem Bericht geht hervor, dass mit 178.000 Personen der Großteil der Betroffenen in öffentlichen oder gemeinnützigen Einrichtungen untergebracht waren. Rund 49.000 sind auf die Beherbergung von Freunden oder Verwandten angewiesen und gelten als verdeckt Wohnungslose. Weitere 37.000 Menschen leben als Obdachlose auf der Straße. Knapp zwei Drittel der Wohnungslosen sind Männer, gut ein Drittel Frauen. Dem Bericht zufolge leben außerdem 6.600 Kinder mit ihren Eltern in verdeckter Wohnungslosigkeit oder auf der Straße.

Die Diakonie Deutschland erinnerte die Ampel-Koalition an ihr Vorhaben, die Wohnungslosigkeit bis 2030 zu beenden. Sozialvorständin Maria Loheide erklärte, wenn die Regierung nicht schnell handele, werde sie an ihren eigenen Ansprüchen scheitern. Es fehlten vor allem kleine, günstige Wohnungen und bezahlbare Wohnungen für Familien. Die Diakonie-Vorständin wies auch darauf hin, dass mehr Menschen ohne Wohnung seien als offiziell erfasst werden. So werden nach Loheides Worten beispielsweise anerkannte Geflüchtete, die in Gemeinschaftsunterkünften bleiben müssen, weil sie keine Wohnung finden, nicht mitgezählt.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Strengmann-Kuhn begrüßte, dass erstmals belastbare Daten auch über die verdeckte Wohnungslosigkeit vorliegen. Er rückte außerdem die Obdachlosigkeit von Wanderarbeitern aus osteuropäischen Ländern in den Blick. Mehr als die Hälfte der Obdachlosen ohne deutsche Staatsangehörigkeit stammten aus EU-Ländern.

Für die Berichterstattung war bisher das Arbeits- und Sozialministerium zuständig, künftig ist es das Bauministerium. Der Bericht soll ein genaues Bild der Wohnungslosigkeit geben und nach Angaben von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gezieltere Hilfen ermöglichen. Der Bericht gibt auch Auskunft über Lebensbedingungen, etwa dem Zugang zu Trinkwasser, Gewalterfahrungen auf der Straße oder die durchschnittliche Dauer der Wohnungslosigkeit. Im Durchschnitt leben Menschen fast drei Jahre in den Unterkünften, wenn sie ihre Wohnung verloren haben.

Die Bundesregierung kommt mit dem Bericht ihrer noch in der vorigen Legislaturperiode beschlossenen Pflicht zu regelmäßigen Erhebungen nach. Diese waren jahrzehntelang von der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) gefordert worden, die bisher die Zahlen wohnungsloser Menschen auf der Basis von Schätzungen veröffentlicht hat. Sie ging zuletzt von 306.000 Wohnungslosen zum Stichtag 2020 aus. Die Gesamtzahl liegt aber nach Angaben der BAG W deutlich höher, da Menschen, die vor und nach dem Stichtag wohnungslos waren, mit der Stichtagszählung nicht erfasst werden.