Jüdisches Gräberfeld in Erfurt untersucht

Jüdisches Gräberfeld in Erfurt untersucht

Erfurt (epd). Die in Mitteleuropa beheimatete Gruppe der aschkenasischen Juden stammte noch im Spätmittelalter von nur wenigen Urvätern und -müttern ab. In einem Erfurter Gräberfeld seien insgesamt Gene von 33 Menschen aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts identifiziert worden, sagte die städtische Beauftragte für das Unseco-Welterbe, Karin Sczech, am Freitag bei der Vorstellung der Ergebnisse eines auf der Grabung aufbauenden internationalen Forschungsprojektes. Das Erbgut der mitteleuropäischen Jüdinnen und Juden habe nahezu identische charakteristische Merkmale aufgewiesen.

Die insgesamt 47 Skelette seien bei einer archäologischen Ausgrabung aus dem Jahr 2013 geborgen worden. Von 33 Menschen habe die Grabung im Erdreich Zähne gesichert. Diese seien anschließend von einem Forschungsteam von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus mehreren europäischen Ländern und den USA untersucht worden. Die Ergebnisse wurden vor wenigen Tagen in der renommierten Wissenschaftszeitschrift „Science“ veröffentlicht worden.

„Ermöglicht wurde die Forschungen erst nach Einholung eines theologischen Gutachtens“, sagte Sczech. Denn der jüdische Glaube verlange eine strenge Beachtung der Totenruhe. Die Entnahme von Knochenmaterial aus den Leichen von Verstorbenen sei nach jüdischem Glauben streng verboten. Das Gutachten habe jedoch festgestellt, dass das Verbot nicht für Zähne gelte, wenn sie außerhalb der Schädel aufgefunden werden. Zähne würden bekanntlich bereits zu Lebzeiten ausfallen.

Als weiteres Ergebnis sei festgestellt worden, dass es sich bei den in Erfurt bestatteten Personen vermutlich um die ersten Juden beziehungsweise Jüdinnen handelte, die nach dem Pogrom von 1349 in die Stadt zurückkehrten, sagte Sczech. Es seien insgesamt Mitglieder von zwei Familien nachgewiesen worden. Über weitere Analyseverfahren sei festgestellt worden, dass die ältere Generation aus dem Breslauer beziehungsweise böhmischen Raum in die Stadt gezogen sei. Ihre Kinder seien aber in Thüringen geboren und aufgewachsen. Wiederum mit Mitteln der Genetik sei erstmals für das europäische Mittelalter die Bestattung von Jüdinnen und Juden im Familienverband nachgewiesen worden.