Psychologin Akgün: Gesellschaft spuckt Senioren in Altenheime aus

Psychologin Akgün: Gesellschaft spuckt Senioren in Altenheime aus
27.10.2022
epd
epd-Gespräch: Nils Sandrisser

Berlin (epd). Die Psychologin Lale Akgün stellt das System Altenheim infrage. „Es spuckt Menschen aus der Gesellschaft aus und gibt ihnen das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden“, sagte die stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA) anlässlich des 60. Jubiläums des KDA dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Zwar gebe es gut geführte Heime, die seien aber in der Regel teuer, sagte Akgün. Statt in weit draußen im Grünen gelegenen Heimen sollten ältere Menschen eher in kleineren Wohneinheiten in den Zentren von Dörfern und Städten leben, in altersgemischten Nachbarschaften, wo sie in ihren gewohnten Netzwerken bleiben könnten. Erstrebenswert sei auch, dass Menschen im Alter so lange wie möglich zu Hause bleiben können, sagte die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete. Dabei müsse jedoch eine Isolierung in den eigenen vier Wänden verhindert werden.

Seniorinnen und Senioren müssten außerdem vor extremen Kostenanstiegen in der Pflege geschützt werden, forderte Akgün. Das Kuratoriumsmitglied der KDA sagte, sie unterstütze die Idee des Sockel-Spitzen-Tauschs. Dabei zahlen Pflegebedürftige nur einen Sockelbetrag für ihre Pflege, die Pflegekassen den Rest. Derzeit ist es umgekehrt, was dazu führt, dass die Pflegebedürftigen Preissteigerungen alleine tragen müssen.

Akgün argumentierte auch für einen Sinneswandel in der Arbeitswelt. Nicht nur Kinder und Arbeit müssten unter einen Hut gebracht werden, sondern auch Pflege und Arbeit. Rund 80 Prozent der Pflegebedürftigen würden zu Hause betreut, oft von berufstätigen Angehörigen. „Das Alter ist nicht nur das Problem der Alten“, sagte Akgün.

Am Donnerstag feiert das KDA in Berlin sein 60-jähriges Bestehen. Es wurde 1962 vom damaligen Bundespräsidenten Heinrich Lübcke und dessen Frau Wilhelmine gegründet. Das KDA berät Einrichtungen, Politik und Verwaltung und versteht sich dabei als unabhängige Brücke zwischen Wissenschaft und Praxis.