Brasilien: Umfragen sehen Linkskandidaten bei Wahlen vorne

Brasilien: Umfragen sehen Linkskandidaten bei Wahlen vorne

Berlin, São Paulo (epd). Brasilien steht vor einer Richtungsentscheidung. Mehr als 156 Millionen Wähler sind am Sonntag aufgerufen, ein neues Staatsoberhaupt zu bestimmen. Je nach Umfrage kommt der linksgerichtete Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (2003 bis 2011) auf 42 bis 48 Prozent der Wählerstimmen und liegt damit deutlich vor dem rechtsextremen Amtsinhaber Jair Bolsonaro, der auf rund 32 bis 36 Prozent kommt.

Allerdings ist eine Stichwahl wahrscheinlich, da vermutlich auch Lula nicht auf über 50 Prozent der Stimmen kommt. Sie ist für den 30. Oktober vorgesehen. Am Sonntag stehen außer dem Staatsoberhaupt auch Gouverneure der Bundesstaaten und die Parlamentsabgeordneten zur Wahl.

Die Abstimmung findet unter größter politischer Anspannung statt, denn Bolsonaro stellte das elektronische Wahlsystem infrage und provozierte mit Behauptungen über Wahlbetrug. Belege legte er dabei nicht vor. Es gibt Befürchtungen, er könnte das Wahlergebnis nicht anerkennen und seine Anhänger zu Protesten aufrufen.

Lula da Silva genießt vor allem im armen Nordosten des Landes Unterstützung und unter den Menschen mit einem geringen und mittleren Einkommen. Er will das Sozialsystem „Bolsa Família“ für arme Familien ausbauen den Rechtsstaat stärken und verspricht höhere Steuern für Gutverdiener. Den illegalen Bergbau im Amazonas-Gebiet will der 76-Jährge ebenso entschieden bekämpfen wie die die Abholzung des Regenwaldes und die Angriffe auf die Schutzgebiete der Urbevölkerung. Die unter Bolsonaro vorangetriebene Liberalisierung der Waffengesetze soll zurückgenommen werden.

Mit geschickten Bündnissen versucht der Ex-Gewerkschafter, Wirtschaftsvertreter für sich zu gewinnen. Dafür hat er seinen ehemaligen Kontrahenten, den Ex-Gouverneur von São Paulo, Geraldo Alckmin, zu seinem Vize gemacht. 2018 war er vor der Wahl wegen Korruption und Geldwäsche zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden, was er als politische Kampagne bezeichnete. 2021 hob der Oberste Gerichtshof alle Urteile gegen ihn auf.

Der Ex-Militär Bolsonaro hatte vor vier Jahren mit der Ankündigung gewonnen, Brasilien von Korruption zu befreien, die Arbeitslosigkeit zu senken und die Wirtschaft anzukurbeln. Damit zog er die Elite des Landes, Unternehmer, aber auch viele einfache Menschen auf seine Seite. Von seinen Versprechen ist jedoch wenig geblieben. Bolsonaro führt die Corona-Pandemie und Dürre in Brasilien als Gründe für die ökonomische Stagnation an. Brasilien war mit rund 700.000 Corona-Toten eines der Länder, das am stärksten von der Pandemie betroffen war. Lula macht das fatale Krisenmanagement der Bolsonaro-Regierung für die vielen Opfer mitverantwortlich.