Schäuble: "Soziale Unruhen machen Gas nicht billiger"

Schäuble: "Soziale Unruhen machen Gas nicht billiger"
09.09.2022
epd
epd-Gespräch: Corinna Buschow und Karsten Frerichs

Berlin (epd). Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat davor gewarnt, soziale Unruhen als Reaktion auf die Energiekrise herbeizureden. „Ich würde jedenfalls als verantwortlicher Politiker darüber nicht reden, schließlich gibt es selbsterfüllende Prophezeiungen“, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd) und ergänzte: „Und ich teile die Sorge auch nicht.“ Er sei überzeugt, dass die große Mehrheit der Bevölkerung vernünftig sei. „Soziale Unruhen machen Gas nicht billiger“, sagte Schäuble, der am 18. September 80 Jahre alt wird und der dienstälteste Abgeordnete im Bundestag ist.

Man müsse den Menschen aber schon sagen: „Es sind schwierige Zeiten“, sagte Schäuble weiter. Der Staat müsse soziale Ungerechtigkeiten ausgleichen. Es sei aber „ökonomischer Unsinn“ zu glauben, der Staat könne komplett für die Auswirkungen der Inflation aufkommen. „Wir müssen akzeptieren, dass es auch für uns etwas weniger wird“, sagte er.

Wenn Energie teurer werde, bringe das auch individuelle Einschränkungen mit sich, die der Staat nicht alle ausgleichen könne. „Wir sind eine Gesellschaft von Schnäppchenjägern, das finde ich falsch“, betonte Schäuble, der in der vergangenen Wahlperiode Parlamentspräsident und zuvor mehrfach Bundesminister sowie langjähriger Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag war.

Als große aktuelle Krise bezeichnete Schäuble die Gefährdung der Demokratie. „Die Wahlbeteiligung sinkt, das Vertrauen in staatliche Institutionen schwindet, Mehrheitsentscheidungen werden immer weniger akzeptiert“, sagte er. Das lasse sich in allen westlichen Demokratien beobachten. Der CDU-Politiker sagte, in der aktuellen Lage erwarteten die Menschen zu Recht Führung: „Der Wettbewerb unter den Parteien nach dem Motto 'Wer bietet mehr?' schadet.“

Wolfgang Schäuble wurde 1972 erstmals in den Bundestag gewählt. 1984 übernahm er erstmals ein Regierungsamt als Bundesminister für besondere Aufgaben. Er verhandelte den Vertrag zur deutschen Vereinigung als Innenminister maßgeblich mit. Unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) war Schäuble nochmals Innenminister, später Finanzminister.