Habeck: Wir gedenken auch dem Widerstand gegen Hitler in Osteuropa

Habeck: Wir gedenken auch dem Widerstand gegen Hitler in Osteuropa
Beim Gedenken an den deutschen Widerstand gegen Hitler sprach die Hauptrednerin ein aktuelles Thema an: Die belarussische Oppositionspolitikerin Tichanowskaja warnte vor Appeasement gegenüber Putin.

Berlin (epd). Der Vizekanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) fordert in der deutschen Erinnerungspolitik einen stärkeren Fokus auch auf die osteuropäischen Länder. In einer Rede zur Erinnerung an die Hitler-Attentäter vom 20. Juli 1944 bezog er sich am Mittwoch, auf einen „blinden Fleck“ der Deutschen, „das ungenügende Erinnern daran, dass es vor allem die Menschen in Polen, Belarus, der Ukraine, der baltischen Staaten und der westlichen Gebiete Russlands waren, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und Vernichtungspolitik gelitten haben“.

Die Begrüßungsrede wurde in der Gedenkstätte Berlin-Plötzensee von Staatssekretärin Anja Hajduk verlesen, weil Habeck sich wegen einer Corona-Infektion in Isolation befindet. Demnach betonte der Vizekanzler: „Auch des immer noch viel zu wenig bekannten Widerstands in diesen geschundenen Ländern gedenken wir heute“. Es sei „dringlicher denn je“, dass das gegenseitige Verständnis, wie verwoben die nationalen Geschichten seien, wachse.

Habeck würdigte bei der zentralen Gedenkveranstaltung des Bundes und der Stiftung 20. Juli 1944 zugleich, dass viele der deutschen Offiziere um Claus Schenk Graf von Stauffenberg „die innere Stärke aufgebracht haben, ihre ideologische Verblendung abzulegen“. Gerade, weil Stauffenberg und andere Mitglieder des militärisch-konservativen Widerstands anfangs dem Nationalsozialismus folgten, sei ihr Versuch, der Diktatur ein Ende zu setzen, so bemerkenswert.

Vor 78 Jahren war der Sprengstoffanschlag der Offiziere um Stauffenberg auf Hitler gescheitert. In den folgenden Stunden und Tagen wurden er und weitere rund 200 Mitwisser und Angehörige hingerichtet. Habeck erklärte, man erinnere an sie nun in besonderen Zeiten, „in denen Freiheit, Demokratie und Menschenrechte von so vielen Seiten angegriffen werden und in denen Menschen alles riskieren, um Freiheit und Demokratie zu verteidigen“.

Hauptrednerin war die belarussische Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja. Sie rief die Bundesregierung zur Unnachgiebigkeit gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin auf. Es dürfe kein „Appeasement“ geben. Mit Blick auf die einst von den Briten geprägte Politik, Adolf Hitler zum Friedenserhalt weitgehende territoriale Zugeständnisse zu machen, warnte sie davor, diesen Fehler bei Putin zu wiederholen. „Diktaturen gedeihen, wenn Demokratien nicht aufpassen“, betonte Tichanowskaja.

Die belarussische Oppositionsführerin würdigte die Courage der Menschen, die im kleinen und im großen gegen Hitler gekämpft haben. Sie hätten mit ihren mutigen Handlungen die Menschheit geschützt. Dann sprach sie von Tausenden ihrer Landsleute, die aus politischen Gründen im Gefängnis seien. Ihnen sei die Stimme geraubt worden, daher spreche sie in ihrem Namen. Tichanowskaja war 2020 als Präsidentschaftskandidatin gegen den Machthaber und Putin-Verbündeten Alexander Lukaschenko angetreten, nachdem ihr Mann nicht kandidieren durfte und inhaftiert wurde. Sie lebt im Exil.

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) konnte wie Habeck wegen einer Corona-Infektion nicht an der Feierstunde teilnehmen. Sie wurde von Kultursenator Klaus Lederer vertreten. Er erinnerte daran, dass an diesem Ort auch 89 Frauen und Männer des 20. Juli „Opfer der verbrecherischen NS-Justiz“ wurden. Er würdigte den Mut derer, „die damals eine schwere Gewissensentscheidung trafen, um Krieg und Völkermord zu beenden“. Der Einsatz für Frieden, Freiheit und Demokratie sei ein „immerwährender Einsatz, der niemals endet“.

Zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus legten Repräsentanten der Verfassungsorgane des Bundes - unter ihnen Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) - und des Landes Berlin sowie der Stiftung 20. Juli 1944 Kränze nieder. In der ehemaligen Hinrichtungsstätte wurden zwischen 1933 und 1945 fast 3.000 Menschen exekutiert.