Scheidender Kreuzkantor: Chöre sollen mit der Zeit gehen

Scheidender Kreuzkantor: Chöre sollen mit der Zeit gehen
28.06.2022
epd
epd-Gespräch: Katharina Rögner

Dresden (epd). Der scheidende Dresdner Kreuzkantor Roderich Kreile erwartet auch von etablierten traditionellen Chören, dass sie mit der Zeit gehen. Dabei dürfe eine Werteorientierung nie aufgegeben werden, sagte Kreile dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das gelte auch für den Dresdner Kreuzchor, dessen Leiter er 25 Jahre lang war. Kreile wird am Samstag im Rahmen einer Chorvesper in der Dresdner Kreuzkirche verabschiedet.

„Wir haben die Aufgabe, jungen Leute etwas anzubieten und gewisse Dinge vorzuleben“, sagte Kreile. Er erwarte von allen Chormitgliedern eine Haltung. „Aber wenn man etwas im Inneren eines Menschen anstoßen will, sollte dies nicht doktrinär geschehen, sondern das Angebot muss quasi auf einem Teller gereicht werden“, ist Kreile überzeugt. Daher praktiziere der Kreuzchor „einen undogmatischen Umgang mit der christlichen Tradition“.

Der Dresdner Kreuzchor ist einer der wenigen Knabenchöre in Deutschland und weltweit bekannt. 141 Jungen im Alter von 9 bis 18 Jahren singen derzeit im mehr als 800 Jahre alten Ensemble. Angestammter Platz ist die evangelische Kreuzkirche am Altmarkt, Träger die Stadt Dresden.

Knabenchöre seien ein „Nischenprodukt“, sagte Kreile: „Aber wir dürfen uns nicht verbarrikadieren.“ Vielmehr brauche es „einen ständigen Umwälzungsprozess, ohne das traditionelle Wertesystem aufzugeben“. Der Dresdner Kreuzchor sei zudem ein städtischer Chor. Er wolle für die Stadt da sein, auch etwas Neues anbieten.

Der Kreuzchor habe schon immer praktiziert, was in den jeweiligen Zeitepochen sinnvoll und nötig war: „Heute etwa gehen wir auch mal ins Stadion und singen mit Fernsehausstrahlung für zwei Millionen Menschen.“

An der Spitze des Dresdner Kreuzchores steht ein Generationswechsel an: Auf den 66-jährigen Kreile folgt Martin Lehmann (48). Er tritt sein neues Amt im September an. Derzeit ist er Künstlerischer Leiter des Windsbacher Knabenchors.

Der Kreuzchor beziehe seine Attraktivität daraus, dass es „einen Bildungsweg Kruzianer“ gibt. Aber das Ensemble sei nicht nur eine Gemeinschaft, in der musikalische Fähigkeiten entwickelt werden. Vielmehr würden auch soziale Kompetenzen trainiert, sagte Kreile. Der Knabenchor sei zudem gut durch die Corona-Pandemie gekommen. Zwar hätten wohl alle die Online-Proben gehasst, sagte Kreile. Aber keiner der Jungen sei abgesprungen. Das finde er „bemerkenswert“.