Berufungsverfahren Latzel: Sachverständige haben das Wort

Berufungsverfahren Latzel: Sachverständige haben das Wort

Bremen (epd). Das Berufungsverfahren im Fall von Pastor Olaf Latzel wird am Freitag vor dem Landgericht in Bremen mit Sachverständigen fortgeführt. Dafür habe die Kammer die liberale Bochumer Professorin für Praktische Theologie, Isolde Karle, und den konservativen Wiener Bibelwissenschaftler Ludger Schwienhorst-Schönberger bestellt, erklärte am Mittwoch ein Gerichtssprecher und ergänzte: „Sowohl Staatsanwaltschaft als auch Verteidigung haben keine Einwände erhoben.“ (AZ: 51 NS 225 JS 26577/20, 10/21)

Latzel (54), Pastor der evangelischen St.-Martini-Gemeinde in Bremen, war im November 2020 in erster Instanz wegen homophober Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Dagegen wehrt sich der streng konservative Theologe. Am vergangenen Montag sagte er vor Gericht, er habe sich gegen Homosexualität und Gender-Mainstreaming gestellt, nicht gegen homosexuelle Menschen. Er sehe sich an das Wort Gottes gebunden, das Homosexualität verurteile.

Der Pastor der Bremischen Evangelischen Kirche hatte sich im Oktober 2019 in einer „biblischen Fahrschule zur Ehe“ vor 30 Paaren geäußert. Eine Aufzeichnung davon wurde später auf Latzels Youtube-Kanal mit vielen Tausend Abonnenten online gestellt. So hatte er unter anderem gesagt, Homosexualität sei eine „Degenerationsform von Gesellschaft“. Er warnte vor einer „Homolobby“: „Überall laufen die Verbrecher rum vom Christopher Street Day. Der ganze Genderdreck ist ein Angriff auf Gottes Schöpfungsordnung, ist teuflisch und satanisch.“

Zur Begründung, warum die Kammer zwei Sachverständige bestellt hat, sagte der Gerichtssprecher, es solle der Eindruck vermieden werden, die Kammer würde sich einseitig von einem Sachverständigen beraten lassen. Im Verfahren gehe es nicht darum, die einzig „richtige“ theologische Auslegung herauszufinden. „Es geht tatsächlich nur darum, herauszuarbeiten, ob die Aussagen des Angeklagten in ihrem Kontext überhaupt eine theologische Berechtigung haben oder ob der Angeklagte hier nur seine persönliche Meinung unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit getätigt hat.“

Die evangelische Theologieprofessorin Isolde Karle (58) tritt unter anderem ein für die kirchliche Trauung homosexueller Paare. Der katholische Alttestamentler Ludger Schwienhorst-Schönberger (64) hatte in der Debatte um eine gendergerechte Sprache in der katholischen Kirche gesagt, die Bibel kenne nur zwei Geschlechter.

Für das Berufungsverfahren unter dem Vorsitz von Richter Hendrik Göhner sind vier Termine anberaumt, am 20. Mai soll das Urteil gesprochen werden. In erster Instanz hatte das Bremer Amtsgericht Latzel zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, umgewandelt zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 90 Euro. Damit wäre der Theologe nicht vorbestraft. Das Urteil in der Berufung darf nicht härter ausfallen.