Zahl extremistischer Straftaten nimmt weiter zu

Zahl extremistischer Straftaten nimmt weiter zu
Die Zahl politisch motivierter Straftaten hat 2021 erneut einen Höchststand erreicht, mitverursacht durch die Corona-Verschwörer-Szene. Innenministerin Faeser macht sie auch für einen Anstieg antisemitischer Delikte verantwortlich.

Berlin (epd). Die Zahl politisch motivierter Straftaten ist im vergangenen Jahr erneut deutlich gestiegen. Wie aus der am Dienstag in Berlin vorgestellten Jahresstatistik des Bundeskriminalamts (BKA) hervorgeht, registrierte die Polizei 2021 insgesamt 55.048 Delikte, die aus rechtsextremistischen oder linksextremistischen Motiven, aus ideologischen oder anderen Gründen begangen wurden. Das entspricht einem Anstieg von 23 Prozent und stellt einen neuen Höchststand dar.

Zugenommen haben vor allem Straftaten, die die Behörden nicht dem klassischen Extremismus-Spektrum zurechnen. Viele stehen im Zusammenhang mit staatskritischen bis -feindlichen Haltungen, die in der Corona-Pandemie zum Ausdruck kamen.

Die Zahl der Delikte in der Kategorie „nicht zuzuordnen“ wuchs in der Statistik von rund 8.500 auf mehr als 21.000. Tathintergründe würden diffuser und vielfältiger, erklärte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Ein wesentlicher Anteil in diesem Bereich stehe im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie und den Wahlen im vergangenen Jahr - jeweils rund 7.000 Straftaten.

Die Zahl der Delikte in den klassischen Bereichen Rechts- und Linksextremismus ging leicht zurück. Eine Zunahme um 15,5 Prozent gab es allerdings auch wieder bei den politisch motivierten Gewalttaten. 3.889 Gewalttaten wurden gezählt, rund zwei Drittel davon Körperverletzungen. Zudem registrierte die Polizei neun versuchte und zwei vollendete Tötungsdelikte, bei denen fünf Menschen starben.

Eine Entwarnung beim Thema Rechtsextremismus geben Faeser und BKA-Präsident Holger Münch nicht. Die meisten politisch motivierten Straftaten seien rechts motiviert, erklärten sie. 40 Prozent aller Opfer politisch motivierter Gewalttaten seien 2021 von Rechtsextremisten attackiert worden, betonte Faeser. Rechtsextremismus sei damit die größte Bedrohung für die Demokratie und größte Gefahr für die Menschen im Land.

Rechtsextreme Motive sind weit überwiegend - in 84 Prozent der Fälle - auch der Hintergrund für antisemitische Straftaten, die Faeser laut eigenen Worten die größte Sorge bereiten. Erneut gab es hier 2021 einen Anstieg auf 3.027 Taten (2020: 2.351). Die Zahl der Angriffe auf Synagogen verdoppelte sich der Statistik zufolge auf 49 (2020: 24).

Zudem zeigt sich das Ausmaß von Antisemitismus auch bei der Zunahme von Angriffen gegen Repräsentanten von Religionsgemeinschaften. Deren Zahl stieg um mehr als 40 Prozent auf 3.114, davon 108 Gewaltdelikte. 80 Prozent der Angriffe waren laut Statistik antisemitisch motiviert. Die Zunahme der Angriffe auf konkrete Personen nannte Münch eine „prägnante Veränderung“. Die Zahl der Betroffenen habe zugenommen, sagte er.

Faeser wertete die erneute Zunahme als Ergebnis der judenfeindlichen Verschwörungserzählungen im „Querdenken“-Milieu. Der Anstieg sei durch die Coronaleugner-Szene zu erklären, sagte sie. Aber auch der islamistisch geprägte Antisemitismus werde lauter, sagte Faeser. Beides müsse man im Blick haben.

Das American Jewish Committee (AJC) und der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, präsentierten am Dienstag in Berlin zeitgleich Ergebnisse einer Umfrage, nach der von weiten Teilen der Bevölkerung Judenfeindlichkeit als Problem wahrgenommen wird und nicht nur ein Problem politischer Ränder sei. Es sei eine Schande, wie viel antisemitische Hetze heute noch verbreitet werde, erklärte Faeser. Die Zunahme der Straftaten sei etwas, das „man auf deutschem Boden nicht hinnehmen kann“, erklärte BKA-Präsident Münch.