Högel-Prozess: Verteidiger kritisieren Ermittler

Högel-Prozess: Verteidiger kritisieren Ermittler

Oldenburg (epd). Im Prozess gegen ehemalige Vorgesetzte des Patientenmörders Niels Högel hat der Chef der ehemaligen Sonderkommission „Kardio“, Arne Schmidt, am Freitag erneut als Zeuge vor dem Landgericht Oldenburg ausgesagt. Die Verteidigung warf ihm einseitige Ermittlungen und Darstellungen vor Gericht vor. Schmidt habe wohl belastende Statistiken zum Medikamentenverbrauch und zu Sterbezahlen präsentiert, nicht aber entlastendes Material vorgelegt (Az.: 5 Ks 20/16).

Diagramme zum unauffälligen Medikamentenverbrauch im Klinikum Oldenburg habe die Soko nicht einmal erstellt, kritisierten die Anwälte. Außerdem hätten die Ermittler ungeprüft Zahlen und weitere Statistiken aus dem Klinikum Oldenburg übernommen und bewertet. Zudem habe die Soko keine Statistiker beauftragt, um die Angaben wissenschaftlich zu interpretieren. Aus Sicht der Verteidigung wäre dies zwingend notwendig gewesen.

Heftig kritisierten die Anwälte die Bewertung der sogenannten Strichliste, in der über einen nicht spezifizierten Zeitraum Reanimationen und die daran beteiligten Pflegekräfte erfasst wurden. Högel führte diese Liste mit Abstand an. Großen Wert legte die Verteidigung auf die Feststellung, dass der angeklagte ehemalige Chefarzt der Oldenburger Herzchirurgie bereits in frühen Vernehmungen von solchen Untersuchungen berichtet habe. Dass Högel so oft bei diesen Rettungsmaßnahmen dabei war, sei mit dessen hoher Bereitschaft zu Rufbereitschaftsdiensten und seinem häufigen Einsatz bei Hochrisikopatienten zu erklären.

Der Prozess wird am 28. April fortgesetzt. Dann soll der Rechtsmediziner Benedikt Vennemann von den 134 Exhumierungen möglicher Opfer Högels zur Beweissicherung berichten, kündigte der Vorsitzende Richter Sebastian Bührmann an. Anschließend werde der Toxikologe Jörg Tesker die Ergebnisse der dabei gewonnenen Gewebeproben erläutern.

Unter den Angeklagten sind Ärzte, Verantwortliche aus der Pflege und ein früherer Geschäftsführer. Ihnen wird Beihilfe zur Tötung durch Unterlassen vorgeworfen. Der Ex-Krankenpfleger Högel war am 6. Juni 2019 vom Oldenburger Landgericht zu einer lebenslangen Haft wegen 85 Morden verurteilt worden. Er hatte Patienten mit Medikamenten vergiftet, um sie anschließend reanimieren zu können. So wollte er als Lebensretter glänzen.