Breitscheidplatz-Anschlag: Kritik am Umgang mit Hinterbliebenen

Breitscheidplatz-Anschlag: Kritik am Umgang mit Hinterbliebenen
Bundesjustizminister Buschmann verspricht Besserung
Der Weiße Ring und der Berliner Opferbeauftragte kritisieren den Umgang mit den Betroffenen des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz vor fünf Jahren scharf. Die neue Bundesregierung sagt Unterstützung zu.

Berlin, München, Heilbronn (epd). Kurz vor dem fünften Jahrestag des Anschlags auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz hat die Bundesgeschäftsführerin des Weißen Rings, Bianca Biwer, den Umgang mit den Opfern kritisiert. „Bei der Aufklärung der Tat wurden die Opfer nicht mitgenommen, bei der Planung der Gedenkstätte wurden ihre Vorschläge und Wünsche nicht gehört“, sagte die Bundesgeschäftsführerin der Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer der „Heilbronner Stimme“ (Samstag). Es sei dem Staat nicht gelungen, den Menschen zu vermitteln, dass das Land mit ihnen trauert.

Bei der Trauerarbeit könne Deutschland von seinen europäischen Nachbarn noch viel lernen, sagte Biwer. In Italien habe der Präsident die Angehörigen der in Berlin getöteten italienischen jungen Frau persönlich angerufen und seine Trauer ausgedrückt, ähnlich sei es in Israel gewesen.

Laut Biwer ist die Aufarbeitung des Anschlags noch längst nicht abgeschlossen. „Es laufen immer noch mühsame Prozesse vor allem im Bereich der Opferentschädigung, es gibt etliche Erwerbsunfähigkeiten von Betroffenen“. Zudem meldeten sich sogar jetzt erst Menschen, die die ersten Jahre nach dem Anschlag vermeintlich gut mit der Situation zurechtkamen, dann irgendwann zusammengebrochen seien und beispielsweise erwerbsunfähig wurden. „Sie haben das Trauma zunächst gar nicht erkannt.“

Auch der Berliner Opferbeauftragte, Roland Weber, sieht den Umgang mit den Hinterbliebenen der 13 Todesopfer kritisch. Von Anfang an hätte eine sehr unglückliche Kommunikation mit den Betroffenen stattgefunden, sagte er dem Hörfunksender Bayern2 am Samstag.

Als Beispiel nannte Weber den Gedenkgottesdienst einen Tag nach dem Anschlag: „Die Opfer hatte man gar nicht berücksichtigt. Es war eine reine Politveranstaltung.“ Erst in den Folgetagen hätten dann die Hinterbliebenen erfahren, ob ihre Lieben tatsächlich verstorben sind. „Man wusste noch gar nicht, wie viele Verletzte es sind. Man weiß das im Detail bis heute nicht.“

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) kündigte an, die neue Bundesregierung werde nach Kräften alles dafür tun, um Opfer und Hinterbliebene von terroristischen Anschlägen bestmöglich zu unterstützen. „Wir wollen den Umgang mit ihnen würdiger und empathischer gestalten“, sagte er am Samstag in Berlin. Er unterstütze daher die Idee, den 11. März zum nationalen Gedenktag für die Opfer terroristischer Gewalt zu erklären, sagte der Minister.

Die Ampel-Parteien hatten sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, dass es einen „nationalen Gedenktag für die Opfer terroristischer Gewalt“ geben soll. Vorgesehen ist dafür der 11. März, der bereits europäischer Gedenktag für die Opfer des Terrorismus ist.

Zwölf Menschen waren bei dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 getötet worden. Ein weiterer starb im Oktober dieses Jahres an den Folgen einer schweren Verletzung, die er sich zugezogen hatte, als er Erste Hilfe leistete. Bei dem Terroranschlag steuerte der tunesische Islamist Amis Amri einen Sattelschlepper in die Besuchermenge des Weihnachtsmarktes. Fünf der 13 Todesopfer stammten aus Polen, Israel, Italien, der Ukraine und Tschechien.

Anlässlich des Jahrestags wird am Sonntag eine Gedenkveranstaltung in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche unter anderem mit dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und Berlins noch amtierenden Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD) stattfinden. Am Mahnmal vor der Kirche ist ein stilles Gedenken geplant. Die Namen der 13 Toten werden vorgelesen; um 20.02 Uhr, der Uhrzeit des Anschlags, schlägt die Kirchenglocke 13 Mal.