Thüringen-Monitor: Ein Drittel anfällig für Verschwörungserzählungen

Thüringen-Monitor: Ein Drittel anfällig für Verschwörungserzählungen
Die Corona-Krise hat ganz Deutschland weiter fest im Griff. Ein Grund für die Autoren des Thüringen-Monitors, sich im zweiten Jahr in Folge besonders den Auswirkungen der Pandemie auf die politische Kultur im Freistaat zu widmen.

Erfurt (epd). Corona-skeptische Einstellungen werden laut Thüringen-Monitor in der Bevölkerung des Freistaats im bundesvergleich überdurchschnittlich häufig geteilt. Ihr Anteil ging nach den am Dienstag in Erfurt vorgestellten Ergebnissen jedoch im Vergleich zum Vorjahr deutlich zurück. Hielten 2020 noch 35 Prozent der Befragten „das Virus für nicht schlimmer als eine Grippe“, seien dieser Ansicht ein Jahr später nur noch 22 Prozent gewesen, sagte Marion Reiser vom Institut für Politikwissenschaft der Jenaer Schiller-Universität bei der Vorstellung des Monitors.

Für die repräsentative Studie, die in diesem Jahr den Titel „Demokratie in der Corona-Pandemie“ trägt, seien 1.100 Wahlberechtige mit Wohnsitz in Thüringen zwischen dem 4. Juni und dem 3. Juli 2021 - einer Zeit mit sehr niedrigen Corona-Inzidenzen - telefonisch befragt worden. Trotz der im Zuge der Corona-Debatte deutlich gestiegenen Kritik am Pandemiemanagement, den heftig umstrittenen Eindämmungsmaßnahmen und des von der Anti-Corona-Bewegung geäußerten Narrativs einer „Corona-Diktatur“ sei auf Basis der Ergebnisse des Thüringen-Monitors keine Demokratie- bzw. Vertrauenskrise zu erkennen, erklärte Reiser.

Obschon die Zahl der Corona-Skeptikerinnen und -Skeptiker im Vergleich zum Vorjahr gesunken sei, stellten sie jedoch weiterhin eine große Herausforderung für die politische Kultur im Freistaat dar. So lasse sich eine Radikalisierung der schrumpfenden Anti-Corona-Bewegung beobachten, sagte die wissenschaftliche Leiterin des Monitors.

Dennoch verharmlose weiter ein beachtlicher Anteil der Befragten das Coronavirus. Gleichzeitig sei auch der Glaube an Verschwörungserzählungen weit verbreitet. So stimme ein Drittel der Aussage zu, dass es „geheime Organisationen“ gebe, „die während der Corona-Krise großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben“. Ebenfalls ein Drittel meine, dass die Regierung die Bevölkerung in der Pandemie „gezielt in Angst und Schrecken versetzt, um massive Grundrechtseinschränkungen durchsetzen zu können“.

Auffällig sei jedoch insgesamt, dass die Risiken im zweiten Jahr der Corona-Pandemie nur vergleichsweise selten im persönlichen Bereich gesehen werden, sondern zunehmend in gesellschaftlicher Hinsicht. Hier sahen laut Reiser zum Beispiel 77 Prozent wegen der langen Schulschließungen eine Gefahr für die Bildungschancen junger Menschen.

Im Bereich der Antisemitismus-Messung habe es 2021 einen markanten Rückgang bei der Zustimmung zur Aussage „Die Juden haben einfach etwas Besonderes und Eigentümliches an sich und passen nicht so recht zu uns“ gegeben. Der Anteilswert war 2019 auf 16 Prozent gestiegen, hatte sich 2020 halbiert und liegt laut Reiser 2021 bei vier Prozent. Entwarnung könne jedoch nicht gegeben werden, da der Antisemitismus vielfältige Formen auspräge. So glaube ein Fünftel der Befragten weiter: „Juden versuchen heute Vorteile daraus zu ziehen, dass sie während der Nazi-Zeit die Opfer gewesen sind.“