Patennetzwerk: Afghanische Ortskräfte wurden bewusst zurückgelassen

Patennetzwerk: Afghanische Ortskräfte wurden bewusst zurückgelassen

Berlin (epd). Das Patenschaftsnetzwerk Afghanischer Ortskräfte erhebt schwere Vorwürfe gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Der Vereinsvorsitzende Marcus Grotian sagte am Dienstag in Berlin, das Kanzleramt habe nicht reagiert auf Briefe und Mails, in denen er darauf hingewiesen habe, dass sich die verschiedenen Ministerien bei der Aufgabe, Ortskräfte von Bundeswehr und deutschen Hilfsorganisationen aus Afghanistan zu retten, „gegenseitig blockieren“. Das Kanzleramt hätte eingreifen können, habe es aber nicht getan.

Der Verein, der sich seit Jahren um afghanische Ortskräfte kümmert, warnt seit Monaten davor, dass die radikalislamischen Taliban sich an Helfern ausländischer Organisationen und deren Familien rächen könnten. „Ich habe den Eindruck, wir haben hier Menschen bewusst und wissentlich zurückgelassen“, sagte Grotian. Nach Einschätzung des Patenschaftsnetzwerks wären 8.000 Menschen - Ortskräfte und ihre Familienangehörigen - berechtigt, einen Antrag auf ein Visum für Deutschland zu stellen, weil sie direkt bei deutschen Unternehmen beschäftigt waren.

Doch diese Zahl wurde seinen Angaben nach „durch bürokratische Hürden“ um etwa 50 Prozent reduziert. Die Bundesregierung sprach bis Mitte August stets nur von 2.400 Visa-Erteilungen. Grotian betonte, in diesen Minuten würden Menschen am Flughafen von Kabul abgewiesen, weil sie nicht auf den Listen stünden, „weil sie zu einer Zeit für ein Ressort gearbeitet haben, was nicht bürokratisch erfasst ist“. Er fügte hinzu: „Alle anderen Länder evakuieren jetzt alle Ortskräfte, wir evakuieren die, die man ausgewählt hat. Das finden wir verwerflich.“

Grotian wies darauf hin, dass unterlassene Hilfeleistung eine Straftat sei und forderte eine Verantwortungsübernahme dafür, „dass Handlungen, Aussagen und Untätigkeit“, nun „Menschenleben in die Hände der Taliban“ spielten. Er spreche dabei von der Zeit vor der aktuellen Evakuierungsaktion, „wo es offensichtlich war, dass wir die Menschen dort zurücklassen“ und wo Hilfsangebote und Warnungen ignoriert worden seien. Aktuell werden über eine Evakuierungsoperation am Flughafen von Kabul Menschen von internationalen Streitkräften ausgeflogen.