Versäumnisse der Klimakanzlerin: Merkel spricht über Enttäuschungen

Versäumnisse der Klimakanzlerin: Merkel spricht über Enttäuschungen
Schon in den 1990er Jahren hat sich Merkel als Umweltministerin für den Klimaschutz eingesetzt. Zum Ende ihrer Kanzlerschaft spricht sie von Enttäuschungen und der Erkenntnis, das Pragmatismus manchmal effektiver ist, als am Idealen festzuhalten.
22.07.2021
epd
Von Mey Dudin (epd)

Berlin (epd). Zum Ende ihrer 16-jährigen Amtszeit räumt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Versäumnisse beim Klimaschutz ein. Bei ihrem wohl letzten Auftritt in der Bundespressekonferenz am Donnerstag und Berlin sprach sie vor Hauptstadt-Journalistinnen und -Journalisten von den „Enttäuschungen“ im Einsatz gegen den Klimawandel.

In Deutschland sei inzwischen zwar „einiges passiert“, wie der steigende Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromversorgung und das höhere Tempo bei der CO2-Reduktion. Aber gemessen an dem Ziel, die Erderwärmung auf „deutlich unter zwei Grad oder möglichst nah an 1,5 Grad“ zu begrenzen, „ist nicht ausreichend viel passiert“ Immer wieder erläuterte Merkel in den eineinhalb Stunden im Saal mit der blauen Wand ihre pragmatische Art, Politik zu machen.

Merkel war schon 1994 als Umweltministerin unter Kanzler Helmut Kohl (CDU) an den Verhandlungen zum internationalen Kyoto-Protokoll beteiligt, das am Widerstand der USA und anderen Ländern scheiterte. Daran erinnerte sie nun. Ihr politisches Leben sei „eigentlich gekennzeichnet“ von der Arbeit für Maßnahmen gegen den Klimawandel, sagte sie.

Das Kyoto-Protokoll habe sie damals als „ideale Vorgehensweise“ betrachtet, weil die Reduktionsziele jedes Landes völkerrechtsverbindlich verabredet worden wären. Sie habe „viele Enttäuschungen erlebt“, weil Länder gesagt haben, dass sie sich „niemals“ rechtsverbindlich verpflichten würden.

Den „Tiefpunkt“ erlebte sie nach eigenen Worten bei der Klimakonferenz in Kopenhagen, die 2009 scheiterte. Damals war Merkel schon Bundeskanzlerin. Rückblickend sagt sie, es sei „ein Fehler“ gewesen, so lange am Kyoto-Protokoll festzuhalten. Womöglich hätte man ansonsten schneller zum Pariser Klimaabkommen gelangen können. Diese Vereinbarung von 2015 ist die heute gültige und sieht vor, dass die Staaten freiwillige Ziele vorlegen.

Merkel betonte, sie habe sich dafür eingesetzt, dass zumindest in Deutschland und der Europäischen Union verbindliche Ziele vorgelegt werden. Sie verwies auf das deutsche Klimaschutzgesetz, „in dem wir bereits Klimaneutralität für 2045 anstreben“. Auch die Europäische Union habe jetzt ihre Vorschläge vorlegt.

Sie räumte zugleich ein: „Die wissenschaftliche Evidenz mahnt zu noch mehr Eile. Und wir als Politikerinnen und Politiker müssen dafür Mehrheiten finden.“ Diese Aufgabe sei aber „manchmal nicht ganz so einfach“. Die Jugendbewegung „Fridays for Future“ bezeichnete Merkel dabei als „Antriebskraft“, aber deren Anhänger hätten eben „nicht die einzige Meinung, die in Deutschland existiert“.

Bei der Pressekonferenz wurden weitere Themen angesprochen, wie die Asylpolitik, die Gleichberechtigung von Frauen und die Spaltung der deutschen Gesellschaft. Nicht zufrieden zeigte sich Merkel über die mangelnden Fortschritte im EU-internen Ringen um die künftige Asylpolitik. „Das ist etwas, das in den nächsten Jahren unbedingt gelöst werden muss, weil es eine schwere Bürde für den Zusammenhalt der Europäischen Union ist.“ Der Zustand, den sie sich wünschen würde, sei noch nicht erreicht, „nämlich, dass wir legale Migration haben und dass denen, denen wirklich geholfen werden muss, geholfen wird und dass wir nicht letztlich Schlepper und Schleuser in erheblichem Maße agieren lassen.“

In Sachen Gleichberechtigung habe sie indes „mit wachsender Zeit als Politikerin“ gesehen, „dass von alleine ziemlich wenig geht“. Sie verwies auf die gesetzlichen Pflichten für einen Frauenanteil in Führungsgremien der Wirtschaft und Regelungen für eine paritätische Verteilung der Elternzeit.

Angesichts der Zunahme heftiger politischer Auseinandersetzungen in Deutschland brach Merkel eine Lanze für den Kompromiss. Er sei „etwas Konstitutives jeder Demokratie, das Machbare und das Notwendige, um Gesellschaften zusammenhalten“. Sie warb für Gesprächsbereitschaft und mahnte, Gefühle nicht mit Fakten zu vermischen.

Die Kanzlerin versprach, noch bis „zum letzten Tag“ ihrer Amtszeit die Arbeit so fortzusetzen, „wie ich es immer gemacht habe“. Nach ihrem 29. Auftritt in der Bundespressekonferenz verabschiedete sie sich mit den Worten: „Es war mir eine Freude.“