Forscherin: Gendern ist in der gesprochenen Sprache angekommen

Forscherin: Gendern ist in der gesprochenen Sprache angekommen
26.06.2021
epd
epd-Gespräch: Michaela Hütig

Aachen (epd). Das Gendern ist nach Ansicht der Sprechwissenschaftlerin Josefine Méndez auch in der gesprochenen Sprache angekommen. Verbreitet seien vor allem Doppelnennungen wie „Schülerinnen und Schüler“ sowie neutrale Formulierungen wie „Mitarbeitende“, sagte die Aachener Wissenschaftlerin, die sich in einer Studie mit dem Thema befasst hat, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Untersuchung habe ergeben, dass zwar fast die Hälfte der Befragten eine geschlechtergerechte Sprache als aufwendig empfinde, die Akzeptanz der verschiedenen Varianten aber höher sei als vermutet.

Ein Großteil (rund 44 Prozent) sei nicht der Meinung, dass das mündliche Gendern mehr störe als das schriftliche, erklärte Méndez, die an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen lehrt. Fast jeder Dritte weiß aber nach eigenen Angaben nicht, wie Formen wie „Lehrer*innen“ und „Bewerber_innen“ richtig ausgesprochen werden. In der Regel werden solche verkürzten Paarformen mit Genderstern, Doppelpunkt oder Unterstrich mit einem sogenannten Glottisschlag ausgesprochen, einer kurzen Sprechpause.

Die klaren Favoriten für das Gendern in der Mündlichkeit sind laut Méndez neutrale Formulierungen (43 Prozent) und Doppelformen (38 Prozent). Weniger gut kämen der Glottisschlag sowie das generische Maskulinum und das generische Femininum an, die zudem stark polarisierten. Große Unterschiede zeigten sich anhand von Hörbeispielen zwischen Männern und Frauen, wie Méndez erklärte: „Frauen stufen den Glottisschlag, die Doppelnennung und die Neutralisierung im mündlichen Sprachgebrauch als deutlich passender ein als Männer, bei den Männern dagegen schneidet das generische Maskulinum klar besser ab.“ Das könne ein Hinweis zu der teils umstrittenen Frage sein, „inwieweit sich Frauen vom generischen Maskulinum mitgemeint oder angesprochen fühlen“.

Ähnlich ist die Verteilung der 42-jährigen Wissenschaftlerin zufolge bei der Frage, welche Gender-Variante die Befragten selbst beim Sprechen nutzen oder künftig am liebsten verwenden würden. Neutralisierungen, die wie „Lehrkräfte“ oder „Personal“ das Geschlecht unsichtbar machen, waren hier der eindeutige Favorit: Vier von fünf Befragten sagten, diese Variante könnten sie sich in Zukunft am ehesten vorstellen zu nutzen. Es folgten Beidnennung, Glottisschlag und generisches Femininum.

Die Erhebung unter 945 Personen vom September 2020 zeige, dass sich beim mündlichen Gendern bislang noch keine einheitliche Form abzeichne, erklärte Méndez, die die Studie zusammen mit einer Coautorin und einem Coautor umsetzte. Das liege vermutlich auch daran, dass sich die meisten Empfehlungen für eine geschlechtergerechte Sprache, etwa der Gesellschaft für deutsche Sprache, auf die schriftliche Kommunikation beziehen.