Merkel hält am Kohlekompromiss fest

Merkel hält am Kohlekompromiss fest
Klimaschutz ist ein zentrales Thema beim 3. Ökumenischen Kirchentag. Wenige Tage nach Vorlage der ehrgeizigeren deutschen Ziele legen Kanzlerin Merkel und die Grünen-Spitzenkandidatin Baerbock ihre Positionen dar.

Frankfurt a.M. (epd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht sich gegen ein Vorziehen des deutschen Kohleausstiegs aus. Die von den Beschlüssen betroffenen Menschen bräuchten „schon ein Stück Verlässlichkeit auf dem Weg hin zu Klimaneutralität“, sagte Merkel beim 3. Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt am Main. Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock verlangte Marktregeln und eine Förderpolitik, die erneuerbaren Energien den Vorrang gibt.

Derzeit würden fossile Energien mit Milliarden subventioniert, erneuerbare Energien hätten keine Chance. „Der Markt ist bisher ungerecht“, sagte Baerbock bei einer anderen Veranstaltung des Kirchentages, die wie die meisten wegen der Corona-Pandemie vorab aufgezeichnet worden war und seit Samstag abrufbar ist. Es müsse dafür gesorgt werden, dass Umweltschäden berücksichtigt werden

Merkel betonte, dass der Ausstieg aus der Verstromung von Braunkohle spätestens 2038 erfolgen solle. „Ich möchte nicht nach einem Jahr das jetzt alles wieder aufschnüren“, sagte die Kanzlerin beim vorab aufgezeichneten Podium „Zukunft geht nur gemeinsam: Warum Klimaschutz alle Generationen braucht“. Für die Zukunft sei der europaweit geregelte CO2-Preis entscheidend, der die Wirtschaftlichkeit der Kohleverstromung entscheidend beeinflusse.

Die Bundesregierung hatte am Mittwoch ein neues Klimaschutzgesetz auf den Weg gebracht. Die bislang für 2050 angepeilte Klimaneutralität soll 2045 und damit fünf Jahre eher als zunächst geplant erreicht werden. Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, dass bis 2030 der Treibhausgasausstoß im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent statt wie bisher geplant um 55 Prozent sinken soll. Für 2040 wird ein neues Zwischenziel von minus 88 Prozent Treibhausgasen festgesetzt. Damit zieht die Regierung Konsequenzen aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass die Rechte nachfolgender Generationen herausgestellt und Änderungen am Klimaschutzgesetz verlangt hatte.

Die „Fridays for Future“-Klimaaktivistin Luisa Neubauer sagte bei der Diskussionsrunde mit der Kanzlerin, die Bundesregierung habe über Jahrzehnte hinweg den Klimaschutz nicht nur verschlafen, sondern ihn blockiert und damit die Klimakrise vorangetrieben. Sie nannte das Urteil des Verfassungsgerichts „großartig“, das festgelegt habe, dass alle Generationen gleiche Rechte hätten. Was banal klinge, sei revolutionär. „Auf einmal spielt die Zukunft tatsächlich eine offizielle legitimierte Rolle“, sagte Neubauer.

Der Umweltforscher Ernst Ulrich von Weizsäcker sagte bei einer zuvor aufgezeichneten Bibelarbeit des Kirchentags, die Preise auf dem Markt müssten wenigstens angenähert die ökologische Wahrheit sagen: „CO2-Emissionen würden teurer, langsam genug, dass keine großen wirtschaftlichen Zusammenbrüche passieren. Aber schnell genug, dass das Klima massiv entlastet wird.“

Nach den Worten des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) sind Erfindergeist und Kreativität im Kampf gegen den Klimawandel entscheidend. Dabei müssten Ökonomie und Ökologie Hand in Hand gehen, sagte er ebenfalls bei einer aufgezeichneten und seit Samstag abrufbaren Bibelarbeit. Unter anderem müsse die Digitalisierung vorangetrieben werden und in den Dienst von Mensch und Natur gestellt werden, erläuterte Kretschmann. Die Forschung zu Schlüsseltechnologien müsse gestärkt werden.

Der am Donnerstag eröffnete 3. Ökumenische Kirchentag steht unter dem Leitwort „schaut hin“. Aufgrund der Corona-Pandemie findet das Laienfest von Protestanten und Katholiken digital und dezentral statt. Der Kirchentag geht am Sonntag mit einem Schlussgottesdienst am Frankfurter Mainufer zu Ende.